2007 gab der englische Gitarrist Jeff Beck eine Reihe von 5 Konzerten im Londoner Jazz-Club Ronnie Scotts. Die DVD-Aufzeichnung dieses Events erschien am 24.04. diesen Jahres, während die CD schon länger auf dem Markt ist. Die DVD enthält allerdings Teile, die die CD nicht enthält, z.B. einen Gastauftritt von Eric Clapton und andere Highlights, die diese DVD zum Pflichtkauf machen.
Es soll wirklich Leute geben, die mit dem Namen Jeff Beck nichts anfangen können. Deswegen vor der Besprechung ein kurzer Abriß der Karriere des Mannes, der von vielen Gitarristen für den Besten dieses Planeten gehalten wird.
Beck gehört zu der Generation britischer Rockmusiker, die diese Musik aus der Taufe hoben. Schon als ganz junger Gitarrist erspielte er sich mit den Tridents einen ganz eigenen Ruf. Dann kam der Zeitpunkt, an dem bei einer der angesagtesten Bands der neuen Bluesrockbewegung im Gefolge der jungen Rolling Stones der Platz des Leadgitarristen frei wurde – Eric Clapton verließ die Yardbirds, die nach eher Bluesroots-getränkten Alben (Five-Live Yardbirds war das erste Live-Album der jungen britischen Rockszene) unter anderem als Begleitband von Sonny Boy Williamson II, auf Pop umschwenkten. Angefragt wurde ein Mann namens Jimmy Page, der bereits damals als Studiomusiker die Platten einer ganzen Generation britischer Rockbands veredelte. Der hatte keinen Bock und empfahl seinen Kumpel Jeff Beck. Die Yardbirds waren bereits Gegenstand von Besprechungen auf dieser Seite, es sei also darauf verwiesen.
Nach dem Verlassen der Yardbirds (Jimmy Page war nun doch eingestiegen) gründete Beck die Jeff Beck Group (u.a. mit Ron Wood am Bass und einem jungen Sänger namens Rod Stewart). Nach deren Split (Wood war inzwischen gefeuert worden, aber später wieder eingestellt) tendierte er Richtung Jazzrock, spielte legendäre Alben mit Jan Hammer von Mahavishnu ein und verschwand irgendwann unter der Wahrnehmungsgrenze des Mainstreampublikums. Zwischendurch, 1975, war er als Nachfolger des Leadgitarristen der Rolling Stones, Mick Taylor, im Gespräch und jammte mit den Stones. Dann sagte er ab mit der Begründung, er wolle nicht den Rest seines Lebens nur 3 Akkorde spielen. Dem Vernehmen nach beleidigte er auch die legendäre Rhythmusgruppe der Stones, was dazu führte, dass diese alle seine Spuren auf den Songs löschten (während andere Bewerber für den Job wie Wayne Perkins durchaus auf verschiedenen Alben zu hören sind. Selbst Spuren von Taylor sind noch auf „Tattoo You“ – Beck muß sie also wirklich beleidigt haben. Jimmy Page gab übrigens später ein eher laues Gastsolo auf „Dirty Works“). Den Job bekam dann Ron Wood, sein ehemaliger Bassist, nachdem auch Eric Clapton abwinkte.
2007 spielte er also im Ronny Scotts mit einem Programm von Songs aus dem zweiten, jazzlastigeren Abschnitt seiner Karriere. Vorneweg: die DVD ist der Hammer. Jeff Beck ist eine Art Missing Link zwischen Rock und Jazz- er benutzt die tonale und harmonische Freiheit des Jazz und kombiniert sie mit der Aggressivität und der pubertären Energie des Rock. Außerdem sind seine Melodien immer wirklich Melodien, die man fast nachpfeifen kann.
Das Konzert beginnt mit Beck´s Bolero, jenem legendären Stück, das Jimmy Page mit ihm schrieb und aufnahm und das einst mit dem völlig durchgeknallten The Who-Drummer Keith Moon eingespielt wurde (mit John Paul Jones am Bass- quasi eine Vorstufe von Led Zeppelin). Dann folgen Stücke, die seit Jahren in Becks Liveprogramm stehen, Songs von Jazzern wie Billy Cobham und John McLaughlin. Titel 4 ist dann „Cause We´ve Ended As Lovers“ und man nimmt zum ersten Mal die Bassistin der Band war und wundert sich, dass dieses Mädchen überhaupt in den Club kam, optisch kann sie nicht älter als 12 sein. Dann kommt der Moment, in dem Beck seine Bassistin zu einem Solo auffordert – und dann legt dieses zierliche Geschöpf ein Solo hin, dass einem der Mund offen bleibt. Wie gesagt: das Mädel spielt im Angesicht eines der besten Gitarristen, und der Schlagzeuger Vinnie Colaiuta (früher bei Sting) ist ebenfalls einer der besten seines Faches. Irre. Die Bassistin Tal Wilkenfeld ist bei der Aufnahme erst 21 Jahre alt.
Ein paar großartige Songs später kündigt Beck eine Sängerin an, die ich noch nie so richtig wahrgenommen hatte, weil ich sie fälschlicherweise für ein Produkt dieser elenden Castingsshows hielt: Joss Stone. Für mich ist dieser Song tatsächlich der Höhepunkt der DVD. Sie singt „People Get Ready“ von Curtis Mayfield. Der Song, die Stimme, die exzellenten Soli- besser geht’s nicht. Irgendwie hat man ja manchmal das Gefühl, die definitive Version eines Songs zu hören, bei diesem Song war es der Fall für mich. Alben von Joss Stone werden demnächst auf meiner Einkaufsliste stehen!
Noch eine außergewöhnliche Sängerin präsentiert sich in Beck´s Band: Imogen Heap, die von Stimme her fast an Kate Bush erinnert und die selbst einen Kneipenkracher wie „Rollin´and Tumblin`“ zu einem wirklichen kunstvollen Song veredelt. Nun ja, und zum Schluß kommt dann noch Clapton. Ich habe sein Konzert letztes Jahr in Berlin gesehen und habe fast alle DVDs von ihm, von den CDs ganz zu schweigen. Man könnte mich als Fan bezeichnen, wobei ich immer seine Cream-Zeit als Referenz empfand. Nun, dieser Auftritt ist irgendwie nicht seiner gewesen. Die Vibes im Raum waren vielleicht nicht mit ihm, seine sonst so geschmackvollen schnellen Licks waren nur Gedudel und die Songs auch nicht geschickt gewählt.
Aber das macht nichts, die DVD ist einfach ein Genuss. Das empfand das Publikum auch so. Und es saßen ein paar bekannte Leute im Publikum, Robert Plant war ein paar Mal zu sehen, Jimmy Page, Brian May von Queen, lt. Interview auch Jon Bon Jovi (wer ist das?). Und man hatte virtuell das Gefühl, einer Art Abschlußfeier der Helden der Swinging Sixties beizuwohnen.
Im anschließenden Interview spricht Jeff Beck über seine Karriere. Einmal klingt das Bedauern an, dass er nie den richtigen Sänger hatte, sonst hätte es Led Zeppelin so nicht gegeben. Nun, das sehe ich doch anders, es gibt ja Songs, die sowohl die Jeff Beck Group als auch Led Zeppelin gespielt haben und zumindest bei denen hatte von der Power her Led Zep eindeutig die Nase vorn. Aber dafür ist Jeff Beck eben etwas ganz Eigenes: eine Art Zwitter von Rock und Jazz, etwas, was jetzt Fusion heißt, aber irgendwie doch nur von den (als Gitarristen) kastrierten Kollegen der Jazzfraktion gespielt wird. Und diese DVD ist so eine Art Vermächtnis. Von den 10 möglichen Punkten auf einer Bewertungsskala bekommt diese DVD 11 Punkte!