Manchmal muss es einfach Jazz sein. Schön ruhiger swingender Jazz. Gerne mit Gesang. Wie etwa der Stimme der britischen Sängerin und Schauspielerin Kate Eden.
Die ist wunderbar altmodisch in ihren Songs – und angenehm swingend in ihren Interpretationen.Und das nimmt einem jede Hektik an einem fußballfreien Tag.
Eigentlich wollte ich ja jetzt längst – ganz ohne schwarzrotgoldenes Shirt, Perücke, Rassel usw. auf dem Markt sein. Public Viewing! Yeah! Das erste Mal dieses Jahr – und das nicht mal beim Fußball. Nein, heute wird gewählt. Nicht von mir, nicht vom Volk, nein von der Bundesversammlung. Und die Auswahl reicht vom rechtsradikalen Liedermacher und Stammgast in allen Verfassungsschutzberichten über die linke Journalistin, den noch amtierenden Ministerpräsidenten bis hin zum alterwürdigen Expfarrer und Bürgerrechtler.
Greifswald hat neben dem Reichstagsgelände als einziger Ort die Gelegenheit ergriffen, die Präsidentenwahl öffentlich auf dem Markt zu zeigen. Mit der Zeit kommen doch knapp achtzig Leute zusammen, sitzen an den Biertischen und reden, schlecken Eis und lauschen den Kommentaren der Journalisten von der Leinwand. Oder sie müssen den zahlreichen anwesenden Journalisten Rede und Antwort stehen: Wie man denn zu einem Public Viewing zu so einem Anlass stehen würde, für wen man im Falle einer Direktwahl stimmen würde, all die Standard-Fragen halt. Stimmung wie beim Fußball kommt nicht auf, Fahnen, Perücken und Lärminstrumente hat niemand dabei. Wer eine Sonnenbrille auf der Nase hat, ist klar im Vorteil. Doch die Stimmung bleibt völlig ruhig.
Erst als dann viertel nach zwei das Ergebnis des ersten Wahlganges verkündet wird, ein allgemeines erstauntes Luftschnappen: Wulff hat es nicht im ersten Wahlgang geschafft. Die Rechnung von Angela Merkel ist nicht aufgegangen. Denn die komfortable Mehrheit von CDU und FDP stand eben nur auf dem Papier. Das ist ein gutes Zeichen für die Demokratie. Mal sehen, was der weitere Nachmittag bringt. Für den muss ich mir aber wohl noch andere Musik raussuchen. Bissel was, um die Trägheit auf Grund der Hitze zu verjagen.