Es gehört eine unwahrscheinliche Stärke dazu, sich die eigenen Schwächen einzugestehen. Und noch stärker muss man sein, wenn man diese Schwächen öffentlich macht. Doch Blues und Soul funktionieren immer dann am besten, wenn Menschen ihr Herz offenlegen. Wie Janiva Magness auf ihrem neuen Album „Stronger For It“.
ALBUM DES MONATS APRIL 2012 IN DER „WASSER-PRAWDA“
Verlust und Überwindung, Schmerz und Erlösung, Verletzung und Heilung – man könnte noch mehr Gegensatzpaare finden, als Alligator in ihrer Pressemitteilung zu „Stronger Fort It“. Klar ist schon von der ersten Note an: Janiva Magness ist nach ihrem großartigen Album „The Devil Is An Angel Too“ noch besser geworden als Sängerin. Und das meint nicht von der puren Gesangstechnik her – hier ist sie schon seit Jahren fast eine Klasse für sich im zeitgenössischen Blues und Soul. Sondern darin, wie weit sie sich selbst mit ihren Gefühlen und Schmerzen greifbar macht in ihren Liedern.
Nicht nur bei den drei von ihr selbst geschriebenen Liedern auf dem Album, auch in der Interpretation von Liedern etwa von Tom Waits, Grace Potter oder Shelby Lynne ist sie in jeder Note deratig spürbar, dass ihre Schmerzen ungefiltert durch die Boxen kommen. Ihre Schmerzen aber gleichzeitig eben auch ihre ungeheure persönliche Stärke.
„I Thought I Knew You“ – Es tut immer weh, wenn man sich in Menschen geträuscht hat, wenn man sich einer Beziehung sicher zu sein glaubte und die dann doch zerbricht. Wenn man merkt, dass man immer mehr die Liebe verliert zum Gegenüber, weil die Täuschungen nach und nach zerbrechen und nur noch Trauer übrig bleibt. Oder eben „Dirty Water“ statt perlendem Wein im Glas. So vieles, was man unfertig liegen gelassen hat, ist zu betrauern.
„I’m Alive“ singt sie: Bei allen Kämpfen, allen Verlusten und Hindernissen – ich stehe eben immer noch. Das ist Soulblues der ehrlichsten und eindrücklichsten Sorte. Hier bekommt man eine Künstlerin zu hören, der es immer mehr gleichgültig wird, was andere sagen oder raten. Eine Sängerin, die einen miterleben lässt, wie ehrliche und tiefempfundene Musik besser ist als so manche Medizin oder Therapie. Und wenn Musik so ehrlich ist, dann heilt sie eben auch den Hörer mit.
Um ganz ehrlich zu sein: Es muss Jahre her sein, dass mich irgendein Album persönlich so tief getroffen hat. Ich bin niemand, der leicht zu rühren ist, der im Kino heulen würde. Doch dieses Album bringt mich bei jedem Hören wieder genau an diese Grenze. Daher bleibt mir nicht anderes als eindeutig zu konstatieren: „Stronger For It“ ist eindeutig ein Meisterwerk. Viel besser kann das Bluesjahr nicht mehr werden.