Spätestens mit seinem umwerfenden Album „Two Man Blues Army“ aus dem Jahre 2009 hat sich der in England lebende walisische Australier Gwyn Ashton von seinem langjährigen Vorbild Rory Gallagher freigespielt. Als Bluesrocker und formidabler Slide-Gitarrist hat er seither seinen kantigen Stil weiterentwickelt. „Radiogram“ ist die logische Fortsetzung des reduzierten Blues-Duos mit größerer Besetzung.
Die von Knistern hinterlegte akustische Slide-Gitarre ist natürlich eine Irreführung. Schon bald knallt der Opener „Little Girl“ gewaltig los: Heftiger Bluesrock von einem Gitarristen, der völlig zu Recht in Frankreich mal unter die Gitarristen des Jahres gewählt wurde. Kantig und ungehobelt rollt der Song über den Hörer hinweg und macht keine Gefangenen. Ähnliche Kracher gibt es auf „Radiogram“ noch einige. „Coming Home“ etwa, oder die völlig eigenständige Interpretation von „I Just Wanna Make Love To You“.
Es ist ja den Lesern unseres Magazins kein Geheimnis mehr, dass ich nicht der allergrößte Fan des Bluesrocks bin. Doch hier bleibt für mich wenig zu kritisieren, weil Gwyn Ashton die für mich wichtigste Regel beachtet hat: Bluesrock muss immer noch als Blues erkennbar sein und nicht einfach als eine seelenlose Neuauflage britischer Hard-Rock-Urahnen daherkommen, die im Laufe der Jahre einfach den Blues gegen gängige Mitgröhlriffs ausgetauscht haben. Ashton ist natürlich außerdem noch ein fantasievoller und völlig unberechenbarer Gitarrist, der einen immer wieder überraschen kann. Was er etwa in dem siebenminütigen Schlusssong „Bluez for Roy“ macht, ist schlichtweg umwerfend.
Wer also auf heftigen, rauhen Bluesrock steht und Joe Bonamassa nicht für den einzigen ernstzunehmenden Gitarristen zu Zeit hält: „Radiogram“ ist eine echte Empfehlung wert.