Angefangen hat es als spontane Hilfsaktion für einen Freund und Musiker: Mit dem ersten Concert for Chris Jones wollte der Verein Bluenote aus Wolfenbüttel Geld für die Krankenhauskosten des Gitarristen und Songwriters sammeln. Doch Chris Jones starb noch während der Vorbereitungen für das Konzert. 2012 ist das jährlich ausgetragene Festival längst eines der spannendsten für Freunde handgemachter Musik zwischen Folk, Blues und Songwritermusik. Für viele Musiker ist es außerdem ein Pflichttermin, um Freunde und Kollegen in entspannter Atmosphäre zu treffen.

„Lady“ heißt die Gitarre, die vorn auf der Bühne steht. Sie sieht aus, als wäre sie misshandelt worden: zum normalen Schallloch gesellen sich weitere Löcher – Ergebnisse einer Spielweise, die Gitarrenbauer auch schon mal zu der Bemerkung hingerissen haben sollen, Chris Jones sei ein Gitarrenmörder. Chris spielte die Gitarre so intensiv, als säßen da auf der Bühne drei Gitarristen und ein Schlagzeuger. Diese Formulierung treffen unabhängig voneinander verschiedene Freunde und Familienmitglieder. Die Löcher entstanden vor allem durch den exzessiven Einsatz von Metallpicks. Aber das einstmals edle Stück von Lakewood klingt noch immer, erzählt Chris‘ Lebensgefährtin, die schon immer eine emotionale Beziehung zur „Lady“ hatte. Auch als Chris irgendwann eine neue Gitarre bekommen hatte, hat sie ihn immer dazu überredet, doch die Lady zu spielen. Jetzt steht sie also auf der Bühne und erinnert die Musiker und Besucher an einen der großartigsten Akustikgitarristen der letzten Jahrzehnte, der nicht nur als Begleiter von Musikern von Reinhard Mey über Sara K bis hin zu Steve Baker seine Spuren auf zahlreichen Platten hinterlassen hat. Auch seine eigenen Songs (zu finden etwa auf dem Studioalbum „Roadhouses & Automobiles“) zeigen, dass er auch als Songwriter eine ganz eigene Stimme gefunden hatte irgendwo zwischen Blues, Folk und Rock. Und diese Bandbreite war auch am 9. und 10. November in Wolfenbüttel zu erleben.

 

 

Jon Jones & Friends

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Als Opener war kurzfristig Jon Jones, Chris jüngerer Bruder, eingesprungen. Wobei die Bandbezeichnung „& Friends“ eine kleine Irreführung war. Denn auf der Bühne stand im Prinzip die komplette Lacy Younger Band, zu der Jon gehört. Aber gespielt wurden bei dem intensiven Akustikset Stücke von seinem aktuellen Soloalbum „Brother Jon“ ebenso wie von Younger oder aus dem Repertoire von Bruder Chris. Unschwer zu sehen und zu hören war hier, dass Jon – im Gegensatz zu Chris – auf der akustischen Gitarre weniger zu Hause ist als auf der elektrischen. Und man merkte auch, dass der Auftritt recht kurzfristig geplant war. Doch bei Songs wie „Dreamgirl“ konnte man einen Songwriter voller Herz und Witz kennenlernen. Und gemeinsam mit der absoluten Powerröhre von Younger ergab das einen sehr guten Auftakt für das Festival. 

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Blaney & Heuer

Mit die jüngsten Künstler in der Kommisse waren Liam Blaney und Ben Heuer. Das Bluesduo aus Schleswig Holstein war auf Empfehlung von Georg Schröter & Mark Breitfelder nach Wolfenbüttel eingeladen worden. Für die hatten die beiden schon häufiger den Opener gespielt. Und auch zu einem anderen regelmäßigen Gast des Festivals, Steve Baker, gibt es Beziehungen: Ben Heuer bekam vor Jahren Mundharmonikastunden bei Baker von seinen Eltern als Weihnachtsgeschenk. 

Dass das Duo mit Blaney an der Gitarre und Heuer an der Bluesharp schon seit sieben Jahren zusammenspielte, war von Anfang an zu spüren: Ob nun Bluesklassiker von Robert Johnson, eigene Stücke oder auch Bearbeitungen aus Rock oder gar Reggae: Die beiden auf der Bühne bei ihrem Zusammenspiel zu beobachten war mindestens ebenso faszinierend wie ihren druckvollen Akustikblues zu hören. Weit entfernt davon, lediglich die verschiedenen Stile des Blues auf Gitarre und Harp zu kopieren war hier ein eigenständiger Sound zu erleben, der einem Hoffnung gibt, dass der Blues hierzulande eine Zukunft hat. Man darf gespannt sein, wann es ein erstes Album der beiden geben wird.  Ob man nun den schon gehörten Vergleich, Blaney & Heuer seien so wie das Duo Steve Baker & Chris Jones in frühen Jahren, ziehen muss, bleibt dahingestellt. Auf jeden Fall kann man sie als eine der Entdeckungen des Festivals bezeichnen. Und sie werden sicherlich in den nächsten Jahren immer mal wieder in Wolfenbüttel zu sehen sein.

Fortsetzung folgt.