Unter seinem Künstlernamen El-P produziert Jaime Meline seit den 1990er Jahren schwer anschlussfähigen Hiphop. Mit seiner ersten Gruppe Company Flow und dem Untergrundklassiker „Funcrusher Plus“ (1997) war sein Status als kreatives Mastermind manifestiert. Company Flow schnitten in den allgemeinen Hiphop-Sound der Endneunziger hinein wie ein unscharfes Schlachtermesser. So ist auch das 2004 erschienene „High Water“ ein Hörerlebnis, dass schwer zu kategorisieren ist, weil es nicht wie andere Veröffentlichungen ist.
Auf dieser LP arrangierte, komponierte, produzierte und mixte El-P 8 stimmige Tracks mit dem Jazzensemble The Blue Series Continuum. Guillermo E. Brown (dr), Roy Campbell (tr), Daniel Carter (flu), William Porter (b), Steve Swell (tromb) und Matthew Shipp (p) begaben sich unter die schaffende Ägide eines den Synthesizer liebenden Hip Hoppers, der die Verbindung von Jazz und Hiphop auf dieser Platte mit der ihm eigenen musikalischen Gefühlswelt feiert. Das Album wird umrahmt von den Tracks „Please Stay (Yesterday)“ und „Please Leave (Yesterday)“. Zwischen ihnen wird eine Geschichte erzählt, die irgendwo zwischen Freejazzansätzen, Hiphop-Beats, melancholischen Pianoklängen, Synthesizern und modalem Jazz schwebt.
Die Tracks ähneln sich durchaus, was der Stimmung zuträglich ist. Ich könnte nicht garantieren, dass ich jeden Track sofort erkennen würde, wenn man ihn mir einzeln vorspielt. Diese Platte sollte man durchhören. Der einzige Track, den ich mir zwischendurch auch einzeln anhörte, ist mein Höhepunkt des Albums „When The Moon Was Blue“. Zusammen mit dem Jazzpianisten und Vater El-Ps, Harry „Keys“ Meline aufgenommen, findet man hier einen höchst interessanten Ansatz. Harry Keys nähert sich der Stimme und der ehrlichen Erkenntiswelt Tom Waits an und wird dabei von einem musikalischen Hintergrund gestützt, der trotz des langsamen Tempos unverkennbar eine El-P Produktion ist.
Das mich an Charles Mingus erinnernde „Get Your Hand Off My Shoulder, Pig“ ist ein Beispiel für die harmonisch-geladenen und zielgerichteten Nummern dieser Platte. „Intrigue In The House Of India“ und „Something Is Wrong“ folgen direkt aufeinander und funktionieren perfekt, weil schon bei jenem Track genau dieses Gefühl aufkommt: Hier stimmt etwas nicht. Unerwartet präsentiert sich eine Trompete, die an Dizzy Gillespie anschließen will, auf dem Stück „Get Modal“.
Ich finde auf diesem Album kleine Erinnerungsstücke an die Jazzgrößen vergangener Tage, die El-P bewusst eingebaut hat. Dieses Album ist vom ersten bis zum letzten Track minutiös durchgeplant. Wenn man sich vor Augen führt, wie nahtlos die klassischen Geräusche von Rolandsynthesizern sich mit gefühlvollen Jazznummern arrangieren. El-P beweist seine musikalische Größe auf diesem Album gerade durch das Einsetzen ungewöhnlicher Kombinationen. Hier knüpft ein New Yorker Kind des HipHop nahtlos ein Band zu der Musik, ohne die HipHop nie gewesen wäre. Oder zumindest wesentlich ärmer. Umso beeindruckender ist es, wenn Anklänge dieser Jazztradition noch auf dem Album „Run The Jewels 2“ (2014/Mass Appeal) nachklingen. Man achte auf die Trompeten!
„High Water“ ist Teil der Blue Series, einem Projekt zwischen 2.13.61 Records (dem Label von Henry Rollins) und Thirsty Ear Recordings. Das Projekt veranlasste Matthew Shipp zum Versuch, ein „teils stagnierendes musikalisches Klima“ zu erschüttern. Diese Platte leistet ihren Beitrag dazu. Eine definitive Hörempfehlung. (Thirsty Ear Recordings)