Agustín Sánchez Vidal: Kryptum
Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Oktober 2008)
ISBN-10: 3423210869
ISBN-13: 978-3423210867
Originaltitel: La llave maestra (Santiillana Ediciones Generales S.L., Madrid 2005)
Übersetzung: Silke Kleemann
Im Gefolge des riesigen Erfolgs von Dan Brown ist die Zahl der veröffentlichten Thriller mit ähnlicher Motivlage schlicht unüberschaubar geworden. Doch nur wenigen Autoren gelingt es, die Spannung und die intelligente Faktenlage ähnlich überzeugend darzustellen, wie Brown das in einmaliger Weise in "Illuminati" gelungen war. Wer sich auf den Klappentext von Agustin Sanche Vidals Roman "Kryptum" verlässt geht in die Irre. Hier ist kein spanischer Dan Brown am Schreiben sondern ein Nachfolger des klassischen Abenteuerromans in der Tradition die von Cervantes über Dumas und Karl May bis hin Indiana Jones führt. Wobei der Autor dem Leser eine teilweise fast unüberschaubare Menge an historischen und aktuellen Themen zumutet.
Vom Spanien zur Zeit von Phillip II über die Zeit der maurischen Herrschaft bis zurück zum Untergang des westgotischen Königreiches geht die historische Ebene des Romans, der aus der Sicht des fiktiven Reisenden Raimundo Randa erzählt wird, der in Antigua auf seinen Inquisitionsprozess wartet. Die aktuellen Ereignisse von Kryptum vereinen einerseits die üblichen Verdächtigen für einen Dan-Brown-Verschnitt: Spione des Papstes, die allmächtige NSA, geheimnisvolle Menschenversuche.
Doch eigentlich geht es gar nicht darum sondern um die Suche nach der Ursprache der Schöpfung, in biblischer Sicht gesprochen: nach der Sprache vor dem Turmbau zu Babel, mit der Informationen direkt und unmittelbar ins menschliche Gehirn vermittelt werden können. Hier geht es ebenso um kryptologische Ideen und Informationstheorie in aktueller Dimension. Aber ebensosehr auch darum, wie gefährlich eine solche Sprache sein könnte. Ähnliches (auch von der Ausprägung her – nur dass es dort nicht um Babylon als dem Ursprung sondern historisch korrekter um Sumer ging) hatte Neal Stephenson schon in seinem SF-Meisterwerk "Snow Crash" zum treibenden Motiv eines Romans gemacht. Vidal folgt hier allerdings eigenen Spuren und versucht gleichzeitig die Verwandschaften und Unterschiede zwischen den Buch- oder Offenbarungsreligionen einzubeziehen. So wie in guten Unterhaltungsromanen eigentlich immer angebracht, werden die verschiedenen Spuren im Text des Romans teilweise nur angedeutet, manche Hinweise führen auch in die Irre. Dies soll dem eigenen Nacherleben des Romans eine zusätzliche Dimension verleihen. Und hier liegt auch die eigentilche Stärke von "Kryptum", nicht in der Handlung selbst, die irgendwann auf einen hollywoodreifen Showdown in James-Bond-Manier hinausläuft. Allerdings – und das machen die zahlreichen im Netz zu findenden Rezensionen des Buches deutlich – sind viele Leser von dieser Ebene des Romans hoffnungslos überfordert. Allerdings darf man das in diesem Fall wirklich mal nicht dem Autor vorwerfen. Denn seine Recherchen und seine Hinweise setzen zwar eine gewisse Allgemeinbildung voraus. Doch auch ohne ein Studium der Geschichts- und Religionswissenschaften sowie der Informatik kann man sich dem labyrinthartigen Sog des Buches eigentlich kaum entziehen. Nur sollte man eben beim Lesen a) vorher den Kopf einschalten und b) jegliche Assoziationen zu Dan Brown und ähnlicher Hitware konsequent ausblenden.