Die unendlich-analogen Klangweiten des Retro-Futurismus! Martin Gore hat sich – und das zur Geschichte – bei einem bekannten Online-Auktionshaus mit allerlei alten Analog-Synthesizern versorgt und Ben Hillier wurde wieder als Produzent engagiert.
All das klang gut und ließ auf Erfreuliches hoffen. Am 17.04.2009 erstand ich dann am Tage der Veröffentlichung die langerwartete CD im Greifswalder Mediamarkt.
Nachdem ich das Album erstmals durchgehört hatte, folgte tiefes Durchatmen und ein „Hmmm“. Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen – kurzum: Auf Euphorie, die durch die Vorab-Single „Wrong“ aufgebaut wurde, folgte Ernüchterung. Tja, was nun? Kopfhörer auf! – und nochmal die Play-Taste drücken. Ok – soundtechnisch absolut top und definitiv kein Mainstream, keine Konfektionsware. Vielleicht etwas zu sperrig fürs Ohr. Seither sind fast drei Jahre vergangen und ich höre das Album noch immer…
In den ersten anderthalb Minuten knarzt, fiept, knackt, plärrt, blubbert, quietscht, klappert, piept, schnarrt und scheppert es völlig unkoordiniert auf dem Longplayer. Aha, das Orchester aus antiken Synthesizern stimmt sich ein. Doch nachdem sich alles eingepegelt hat, erklingen die ersten Harmonien des Openers „In chains“. Der Cyber-Gospel mit Blues-Charakter eröffnet den musikalischen Reigen.
„Hole to feed“ folgt und klingt absolut tanzbar. Bo Diddley-Beat trifft moderne Elektronik. Gahans erster Songbeitrag auf dem Album. Völlig zurecht wurde dieses Lied als Single ausgekoppelt.
Mit „Wrong“ haben DM das Meisterwerk von „SOTU“ geschaffen. Martin Gore meinte zum Song: “Wir beschlossen in einem relativ frühen Stadium, Wrong als erste Single herauszubringen, weil es so ganz anders ist als alles, was wir bisher veröffentlicht haben”. Und weiter: “Ehrlich gesagt weiß ich nicht genau, in welche musikalische Kategorie ich es stecken würde, aber es hat eine Art Rap-Feel und ist wahrscheinlich so nah am R&B wie wir je sein werden.” „Wrong“ fesselt durchgängig – mit stampfenden Beats und schrillen Synthesizern. Dazu schmettert Gahan wütend und roh seine Gedanken über ein Leben voller fehlerhafter Entscheidungen und versäumter Chancen ins Micro. Bravo, eine der besten Depeche-Singles überhaupt – ein Klassiker!
„Fragile tension“ – Ein schräges Lied – schwer zu beschreiben. Es wirkt wie ein unverdaulicher Brocken. Auch nach drei Jahren halte ich es für nicht album- und schon gar nicht für singletauglich. DM schon.
Ruhig, sinnlich und hypnotisch erinnert „Little soul“ mit seinen Loops und experimentellen Gitarren an alte TripHop-Zeiten á la „Ultra“. Ein weiteres Highlight für mich.
Mit „In sympathy“ schließt sich ein Titel an, der mit Acht-Bit-Computersounds und hüpfenden Viertel-Noten spielt. Ein netter Popsong.
„Peace“! Laut DM das „spirituelle Element“ und ein „Eckpfeiler des Albums“. Das sublime Techno-Gospel-Arrangement und der sanft herabfallende Chorrefrain mag ja seine Freunde haben und auch finden. Mir aber gefällt das Stück überhaupt nicht – vielleicht mit einer kleinen Ausnahme: die Synthies erinnern mich schwer an Jean-Michel Jarre. Dass DM daraus auch noch eine Singleauskopplung machten, ist mir bis heute völlig unbegreiflich.
Der Old-School-80er-Jahre-Industrial feiert auf dieser CD in „Come back“ sein Comeback. Die wohl schmutzigste und lauteste Rocknummer des Albums, wurde von Dave Gahan geschaffen. O-Ton Gahan zum Song: „Ein großer, üppiger Sound mit einer brummenden Geräuschwand darunter.“ Nicht schlecht. Singlequalität!
Nach dem Instrumentalstück „Spacewalker“ folgt mit gemächlichem Synthieblubbern das nächste Album-Highlight – „Perfect“. Und der Track hält, was der Titel verspricht. Electropop vom Allerfeinsten. Die Synthetics erinnern mich an die „Black Celebration“-Zeit. Eigentlich eine perfekte Single.
„Miles away/The truth is“ ist ein spröder, dreckiger Electroblues mit schlängelndem Groove – Gahans dritter Albumbeitrag.
Die Loungemusic-Ballade „Jezebel“, gesungen von Martin Gore, ist, um es vorweg zu nehmen, seit „Home“ endlich wieder ein starker Song mit Singlepotential. Sinnlichkeit im fraktalen Bossa-Nova-Gewand. Vor allem die Chorus-Melodie hat es mir angetan.
Mit dem Electro-Glamrock-Sleaze-Stampfer „Corrupt“ schließt das Album. Ein cooler Song. Als Zugabe gibt es noch eine 38-sekündige Reprise von „Wrong“.
Fazit: „Exciter“ wurde 2001 kontrovers diskutiert. Aber die Diskussionen um „SOTU“ (entweder waghalsigsten Meisterwerk, „das Violator des 21. Jahrhunderts“ oder Elektroschrott), degradierten den 2001er Disput zu einem harmlosen Scharmützel. Einen irritierenden Eindruck hinterließ das Album vor drei Jahren bei mir. Heute sage ich, dass „Sounds Of The Universe“ ein dunkles, sperriges, sprödes aber gutes Album ist – trotz „Fragile tension“ und „Peace“!
Hörempfehlungen: „Wrong“, „Little soul“, „Perfect“, „Jezebel“ und „Corrupt“