The Hot Potato Syncopators (Foto:  Mark Simmons)Es ist schon erstaunlich, wie schnell man Reaktionen bekommen kann, wenn man über solch scheinbar entlegene Themen wie die britische Retro-Swing-Szene schreibt. Denn wenn man das in Deutschland auch noch nicht mitbekommen hat: Im Vereinigten Königreich ist diese Musik zur Zeit das Heißeste für Parties. Und so habe ich auf Empfehlung der zuerst erwähnten Musiker den Artikel noch um ein paar Empfehlungen erweitert.

„Die Leute lieben Swingbands, jeder liebt eine wirklich gute Live-Band, aber die Platten-Firmen haben in den 60ern komplett aufgehört sie zu vermarkten und sich statt dessen auf Rock & Roll gestürzt“, erzählt Benoit Viellefon. „Ich denke, sie werden auf Druck der Öffentlichkeit zurück kommen. Aber die Musiker müssen Jazz mit weniger intellektuellem Zeugs und mit mehr Energie und Kontakt zum Publikum spielen. Das funktioniert in England. Die Leute lieben es und die Locations sind vollgepackt mit schönen Frauen, aufgetakelt mit Seidenstrümpfen und schicken Frisuren. Sie lieben es, die Männer lieben es – und das über alle Generationen hinweg.“

<a href=“http://theoriginalrabbitfootspasmband.bandcamp.com/track/eadie-was-a-lady“ >Eadie was a Lady by The Original Rabbit Foot Spasm Band</a> „Decadence is indeed the scene!“, schreibt Fred alias Arthur Foxaque von Top Shelf Jazz zu meiner Anfrage zu weiteren Swingbands. Und betont, dass ihn eigentlich nur Musiker interessieren, die sich an der Zeit bis zu den 40er Jahren orientieren.

Decadence meint in dem Sinne ein ziemlicher Untergrund-Trend im Vereinigten Königreich: Swing-Partys boomen, Konzerte sind ausverkauft. Und irgendwie ist Swing grad mal wieder der Punk des Jahrzehnts – wie vielleicht schon mal in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts in den USA. Doch die britischen Bands sind weniger an der Einbeziehung des Rock’n’Roll interessiert, wie ihn damals Brian Setzer oder auch die Chery Poppin Daddies zelebrierten. Die Briten sehen sehen auf historisch korrekte Musik: Jazz und Swing.

Und so empfielt Top Shelf auch, sich die Musik der Hot Potato Syncopators anzuhören. Diese Band sei „absolute insane english authenticity“. Und wirklich: Dieses Trio mit Ukelele, Teekistenbass, singender Säge und jeder Menge Nonsens ist so spleenig, dass sie nur von der britischen Insel stammen können. Genießt einfach das Video zu „Carolina In The Morning“.

Eher in die traditionellere Swing-Ecke gehört The Original Rabbit Foot Spasm Band, die sich als „seven of the hardest working, hardest drinking, hardest playing jazz musicians this side of the Pond“ bezeichnen.

Noch ein Stück weiter in der Geschichte des Jazz zurück orientieren sich Dom James and his Dixie Ticklers. Die Band besteht aus jungen britischen Jazzmusikern, die die Musik aus New Orleans der 20er Jahre spielen. Und das weniger als Biergarten-Dixieland sondern als fein-swingende Tanzmusik mit dem patentierten Groove von Louisiana. Und wie das auf jüngere und ältere Partygänger wirkt, zeigt sehr schön ihr langes Live-Video irgendwo in einem recht improvisiert wirkenden Club.

Mit einem Major-Deal ausgestattet und daher auch in den Radios im letzten Jahr hier in Deutschland zu hören waren die Puppini Sisters. Diese drei Frauen beleben ein wenig die Tradition der phantastischen Andrews Sisters neu – sind aber auch als Instrumentalistinnen durchaus hervorragend. Und vom Styling her muss man sagen: perfekt Retro-Pin-Ups. Doch darauf sollte man sie wirklich nicht reduzieren. Sängerin Kate Mullin macht auch noch in einem weiteren Projekt mit, nämlich bei King Candy & The Sugar Push. Die sind noch realitv neu am Start und verdienen sich ihr Geld als echte Tanzkapelle (was auch meint, dass sie keine eigenen Songs schreiben, sondern allein die Klassiker neu interpretieren). Zu erleben sind sie regelmäßig beispielsweise im Londoner Club „Swing Mon Amour“, betrieben von Benoit Viellefon. Womit wir wieder am Anfang der Recherche angekommen wären. Natürlich gibt es auch in England noch die klassisch aufspielenden swingenden Rhythm & Blues-Bands. Doch die sind in der „Decadence-Szene“ nicht wirklich angesehen. Sie haben ihre Fans dann eher bei den Leuten, deren Idealzeit die 50er Jahre waren.