Statt mit bläsersattem Soulblues erleben wir Sänger und Harpspieler Curtis Salgado auf „Rough Cut“ mit tief emotionalem Akustikblues. Star an seiner Seite ist Gitarrist Alan Hager, der seit 2015 festes Mitglied seiner Band ist. Gemeinsam haben sie eigene Songs und einige Klassiker zwischen Son House und Muddy Waters eingespielt. „Rough Cut“ ist eines der ersten Highlights des Bluesjahres 2018.
Gesundheitliche Rückschläge haben Curtis Salgado in den letzten Jahren immer wieder dicht an die Grenzen des Grabes gebracht. Nach dem Kampf gegen Leber- und Lungenkrebs (gleich zwei Mal) folgte zuletzt eine vierfache Bypass-Operation. Wenn er also zu Beginn von „Rough Cut“ singt: „I Will Not Surrender“, dann glaubt man ihm jede Zeile, jede Note. Die Nummer, live und ohne vorherige Proben im Studio aufgenommen, zählt zu den intensivsten Bluessongs, die in den letzten Monaten in meiner Anlage erklangen. Die Stimme kraftvoll und doch brüchig, die Gitarre dazu klingt nach tiefstem Mississippi. Genau so sollten Bluessongs sein: ehrlich bis zur Selbstentblößung, kraftvoll und fern jeder Weinerlichkeit. So trifft einen jede Note direkt und ohne Umweg ins Herz, findet sie den Resonanzboden, die das eigene Leben mitten in den Song transportiert und gleichzeitig verändert.
„So Near To Nowhere“ ist eigentlich ein ziemlich humorvoller Song über das falsche Mädchen zur richtigen Zeit. Doch mit dem Bezug auf das Alter und die abnehmende Zeit machen auch daraus einen Song voller persönlicher Betroffenheit. Der typische Humor, den man aus älteren Songs von Salgado kennt und liebt, kommt dann bei den nächsten Stücken zum Tragen. In „One Night Only“ etwa verwandelt sich der gemeinschaftlich vereinbarte One Night Stand direkt zum Weg in in Richtung Traualtar. Und in „I Want My Dog To Live Longer“ stellt sich als der größte Song beim Rückblick auf das Leben heraus, dass doch der Hund länger leben soll. Klar würde man gern der King des Rock&Roll sein, den Hunger der Welt besiegen und mit seiner Schönheit Erfolg bei den Frauen haben. Doch der Hund ist letztlich der einzige echte Freund, dessen Liebe unverstellt und unendlich ist.
Dass es bei Bluesklassikern darauf ankommt, sie vollkommen zu eigenen Geschichten zu machen, zeigen Salgado und Hager unter anderem an Muddy Waters „Can’t Be Satisfied“ oder beim „Depot Blues“ von Son House – hier trifft tiefe Kenntnis der Bluesgeschichte auf persönliche Erfahrungen mit den erzählten Geschichten.
Für mich sind es aber die eigenen Nummern, die Rough Cut zu einem solch überzeugenden Album machen. Dazu gehört neben den erwähnten Stücken unbedingt auch noch „Hell In A Handbasket“, bei dem Salgado sich selbst am Klavier begleitet und das Instrumental „The Gift of Robert Chares“. Zwei Männer, eine Gitarre, eine Bluesharp – und Geschichten, die direkt ins Herz gehen. – Einfach großartig!