Blues trifft auf klassische Musik, auf Jazz, Folk und Weltmusik: Was Harpspieler Corky Siegel mit seinem Projekt Chamber Blues auf dem neuen Album „Different Voices“ präsentiert, ist so ziemlich das herausforderndste Album des Jahres, das dem Bluesrezensenten in den Player kommen kann.
Man nehme einen „klassischen“ Bluessänger und Harpspieler und kombiniere ihn mit einem modernen Streichquartett. Was sich abseitig anhören mag beim puren Lesen hat tatsächlich seine Vorläufer schon in den 70er Jahren. Damals nahm die Siegel Schwall Band für die Deutsche Grammophon „Three Pieces for Blues Band and Orchestra“ auf. Und Corky Siegel hat seither immer wieder solche die Genregrenzen sprengenden Projekte in Angriff genommen. Das erste Album der Projekts Chamber Blues erschien 1994 bei Alligator Records. Für „Different Voices“ hat er sich außerdem noch den indischen Tablaspieler Sandeep Das, den Jazzsaxophonisten Ernie Watts, Bluesman Sam Lay, die Folkband Sons of the Never Wrong und die Sängerin Marcy Levy eingeladen.
Beim Opener „Missing Persons Blues – Op. 26“ umkreisen sich die Harp und das Jazzsaxophon, während die Streicher ihrerseits die Bluesphrasen aufnehmen und klassisch variieren. Eine fast hypnotische Stimmung entsteht hier, die Frage, welches Genre man hier hört, stellt sich irgendwann einfach nicht mehr. Denn wie die Musiker hier gemeinsam auf Expedition durch verschiedenste Regionen gehen, ist schlichtweg toll und überzeugend. Und auch bei den folgenden Stücken des Albums sind lustige Phrasen wie „Mozart trifft auf Muddy“ einfach nur Zeichen einer Hilflosigkeit angesichts des so fast nie gehörten.
Für mich am überzeugendsten auf dem Album ist der alte Gospel „I’ll Fly Away“, der hier als Tour de Force durch Folk, indische Musik, Klassik und Country daher kommt. Auch erwähnen muss man „Shadows In A Shoebox“ und „Angel Food Cake“, wo das Streichquartett ständig zwischen Bluesspielweisen und Klassik hin und her pendelt und sich so selbst im Call and Response übt. Hier sind die Stile endgültig miteinander verschmolzen. Und man kann verstehen, weshalb manche Kritiker meinen: so ähnlich hätte Gershwin klingen können, wenn er nach „Porgy & Bess“ konsequent weiter in diese Richtung gegangen wäre mit seiner Musik.
Spannend, überraschend und immer wieder herausfordernd: „Different Voices“ ist eine Empfehlung für Musikliebhaber vollkommen ohne Scheuklappen.