Vor rund 30 Jahren veröffentlichte der aus Kanada stammende Gitarrist und Songwriter Colin Linden sein erstes Soloalbum, eine Liveaufnahme mit dem kurzen Titel „Live“. Jetzt erscheint sein zweites Livealbum. Es heißt schlicht „Still Live“. Die in Nashville entstandenen Aufnahmen zeigen Linden als einen tief im Blues verwurzelten Songwriter und faszinierdenden Slide-Gitarristen.
Als Produzent in Nashville gehört Colin Linden neben T-Bone Burnett zu den erfolgreichsten überhaupt. Mehr als hundert Platten hat er bislang betreut. Als Gitarrist spielte er unter anderem bei Bruce Cockburn. Doch eigentlich ist Linden ein echter Bluesman, seit er als Kind von Howlin Wolf den Rat bekam, sich die Meister des Vorkriegsblues anzuhören. Vor allem sein Spiel auf der Slide-Gitarre ist einzigartig gefühlvoll und einprägsam (manche Musiker schätzen ihn hier gar höher ein als Ry Cooder! Und wenn man die Einleitung zu „Sugar Mine“ hört, kann man auch verstehen wieso).
„Still Live“ ist – aufgenommen am 29. Oktober 2010 in Nashville mit Organist Spooner Oldham sowie John Dymond am Bass und Schlagzeuger Gary Craig – vor allem eines: Ein Bluesalbum eines schon fast weise zu nennenden Geschichtenerzählers. Ob er davon erzählt, wie schwer es ist, seinen eigenen Weg zwischen denen von Millionen anderer Menschen zu finden oder sich davor Angst hat, nach langer Abwesenheit von der Geliebten abgewiesen zu werden. Es sind ruhige bis melancholische Meditationen, die niemals auf Effekte schielen, Lieder die ruhiger sind, als es zur hektischen Gegenwart zu passen scheint. Und gerade darum ist es ein Album, dass einen bei jedem neuen Hören wieder genauso gefangen nimmt.
In 30 Jahren, so schreibt Linden im Booklet zu dem bei Cross Cut erschienenen Album, hoffe er erneut ein Live-Album einzuspielen. Das werde dann wohl „Barely Alive“ heißen. In einer Zeit, wo die Kunst des Live-Albums durch digitale Aufnahmetechnik und massenhafte Verbreitung von kompletten Konzertmitschnitten über das Internet auf einem Tiefpunkt ist, kann man so eine humorvolle Anmerkung verstehen. Aber wenn ein Album eine so direkte und intime Atmosphäre vermittelt wie „Still Live“ mag man nicht wirklich so lange warten.