Ist das Blasphemie? Kann man ein zeitloses Album wie Milies Davis‘ „Sketches of Spain“ mit den großartigen Arrangements von Gil Evans wirklich einer Revision unterziehen, ohne sofort der krankhaften Hybris geziehen zu werden? Trompeter Orbert Davis und das Chicago Jazz Philharmonic sind mit ihrem aktuellen Album das Risiko eingegangen. Und das hat sich durchaus ausgezahlt.
 

Davis (kein Verwandter von Miles!), künstlerischer Leiter des Chicago Jazz Philharmonic versucht sich nicht an einer einfachen Wiederholung des Originals. Vielmehr will er die Stimmung des Klassikers nachempfinden und die Verbindung zwischen Jazz und spanischer Musik noch ein wenig weiter verdeutlichen. So hat er vom Original lediglich das tolle „Concierto de Aranjuez“ und Gil Evans‘ „Solea“ neu aufgenommen, sie aber neu arrangiert und den Orchestersound auch durch Instrumente aus dem Vorderen Orient ergänzt.

Noch deutlicher wird das bei den neu hinzugefügten Stücken, den beiden von Davis geschriebenen Kompositionen „Muerte del Matador“ und „El Moreno“ und dem eigentlich für Piano geschriebenen „El Albaicin“ von Issac Albeniz. Letzteres gibt hier dem Streichquartett des Orchesters die Möglichkeit zum Glänzen.

Schon von Anfang an hat die Revision eine ganz andere Atmosphäre als bei Davis & Evans: Wo Miles mit seiner Trompete vor dem großen Orchester steht wie ein Monolith, ist Orbert (der zwischen Trompete und Flügelhorn wechselt) viel stärker Teil des Ensembles. Außerdem spielt er hier weniger als Jazzmusiker, sondern eher in der klassischen Tradition.

Böse Zungen könnten lästern und sagen: Das hier ist Sketches of Spain für die Fans von Wynton Marsalis und seiner Schule. Für mich ist Sketches of Spain Revisited ein äußerst empfehlenswertes aktuelles Jazzalbum, weit entfernt von Blasphemie – wenn auch vielleicht weit entfernt vom Geniestreich von Miles Davis & Gil Evans. (3Sixteen Records)