Als Bonnie Raitt 1971 ihr Solodebüt aufnahm, war das eine Live-Session mit ihrer damaligen Tourband. Heraus kam damals eine Mixtur aus Blues und Folk mit ein wenig Rock, Jazz und kalifornischer Leichtigkeit. Damals klang das ungeheuer zeitgemäß. Heute nennt man eine solche Mixtur marktgerecht Americana. Und auch wenn Bonnie Raitt seither immer mal wieder ihre Alben marktgerecht poliert hat, um auch im Radio vorzukommen, hat sich doch an ihrer musikalischen Grundhaltung nicht wirklich viel verändert.
Noch immer hat sie eine tiefe Liebe zum Blues, die sie in keinem Lied verheimlichen kann und will. Aber sie hat auch nichts dagegen, Rock- und Pophits eine Blueskur angedeihen zu lassen. Denn auch wenn sie immer mal wieder großartige Songs schreibt: Niemals ist sie eine Künstlerin gewesen, die sich allein auf ihre eigenen Werke verlassen hätte. Auf „Dig In Deep“ etwa macht sie aus „Shakin Shakin Shakes“ von Los Lobos einen wilden Boogierock, noch heftiger als von den Kaliforniern selbst. Hier kann sich ihre Slide-Gitarre mal so richtig austoben. „Need You Tonight“ (INXS) wird bei ihr von einer harmlosen Pophymne zu einem ernsthaften Liebesflehen. Und Jon Henrys Ballade „You’ve Changed My Mind“ (die er direkt für Raitt geschrieben hat) zeigt eine Verletzlichkeit, die man von dieser starken Frau kaum erwartet hätte. Dagegen stehen Nummern wie der tolle Opener „Unintendet Consequence of Love“ mit seinem direkt aus New Orleans importierten Groove oder das rockende „Gypsy In Me“.
Die Mixtur des Albums stimmt, die Songs, ob eigene oder angeeignete, sind großartig. Und nein: bei „Dig In Deep“ wurden nicht sämtliche Ecken und Kanten wegpoliert. Dieses Album zeigt eine Frau, die auf dem Höhepunkt ihres Könnens ist. (Redwing Records)