Blues, Jazz, Folk, Cajun – Bob Brozman mag zwar als Bluesmusiker bekannt geworden sein. Doch der Gitarrist und Musikethnologe war Zeit seines Lebens jemand, der immer auf der Suche nach neuen Klängen war, die man den verschiedensten Saiteninstrumenten entlocken konnte. Und mit Musikern aus aller Welt spielte er Alben ein, für die man den Begriff der Weltmusik hätte erfinden müssen. Im Alter von 59 Jahren nahm sich Brozman am 24. April in seiner kalifornischen Heimat das Leben.
Für Brozman war Musik die einzige Sprache, die überall auf der Welt verstanden wird. Und so war er schon als Student ständig auf Reisen. Zunächst fuhr er – damals war der 1954 in New York geborene Gitarrist noch Student der Musikethnologie an der Washington University – in die Südstaaten der USA, wo er den Blues, besonders den Vorkriegsblues, erlernte und zahlreiche der alten Bluesmen traf, die er bislang nur von den vor dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Schellacks kannte. Später kamen Ragtime und Jazz hinzu, alte hawaianische Musik, er spielte mit Musikern aus Japan ebenso wie aus Afrika oder Europa, tourte mit einheimischen Musikern in Papua Neuguinea. Und all das floss in seine rund 30 Alben ein, die seit den späten 70er Jahren des letzten Jahrhunderts auf verschiedensten Labels veröffentlicht wurden.
2012 erschien „Fire In The Mind“ bei Ruf Records. Bluepuristen sollten von diesem Album vielleicht die Finger lassen. Ihr Glauben könnte ansonsten auf eine harte Probe gestellt werden. Der Glaube an die Heiligkeit der Allgültigen Zwölf Takte sowieso.
Brozman erzählt gemeinsam mit seinem Percussionisten Jim Norris Geschichten, die sich über Stimmungen und Rhythmen vermitteln. Und hier erschließt sich dem Hörer der Bezug zum Blues, über Stimmungen und Gefühle.
„Breathing The Blues“ entführt einen irgendwohin in die Sümpfe Louisianas. Aber gleichzeitig fühlt man die Atemlosigkeit, die Beklemmung und sehnt sich danach, dieser drückenden Atmosphäre zun entkommen. „Cannibal Stomp“ jagt einen dann mit seinen rasanten Gitarrenduellen (die Brozman mit sich selbst ausficht), mit indischen Klängen und treibenden Rhythmen raus in die frische Luft. Erst dann kommt mit „American House Fire Blues“ das erste Stück mit Text: Eine melancholische Abrechnung und Anklage auf die hoffnungslose Lage vieler Menschen in seiner Heimat:
»It‘s a lonely, lonely country
When you‘re out on your own
They‘ve stolen everything
And drove you from your home
Who you gonna call
When your house is burning down…«
Dieser „echte“ Blues wird abgelöst von „„Rhythm Is The King“ mit afrikanischen Trommeln, von „Strange Mind King“ mit spanischen Anklängen und einer vokalen Glanzleistung zwischen Trauer und Wahnsinn, zwischen Angst vor dem Tod und der Unfähigkeit, die Liebe zurück zu lassen in Einsamkeit. Und dann brennt er bei „Ow! My Uke‘s On Fire“ ein wahres Ukelelenfeuerwerk ab zu treibenden Ragtime-Rhythmen.
Seit Brozman in den 80er Jahren in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt war, litt er immer wieder unter Schmerzen in den Armen. Irgendwann konnte er kaum noch spielen, die Aufnahmen zu „Fire In The Mind“ mussten daher immer wieder unterbrochen werden. Nach Aussagen seines langjährigen Produzenten Daniel Thomas habe er die Vorstellung, eines Tages nicht mehr spielen zu können, nicht ertragen. Und so suchte er den Weg im Selbstmord. Die Blueswelt ist um einen der genialsten Gitarristen und Gitarrenlehrer ärmer geworden.
Hallo Raimund,
Meine Hochachtung. Du hast einen wundervoll würdigen Nachruf auf den genialen Bob Brozman geschrieben …