„wie alt bist du eigentlich?“ wollte sie von mir wissen.

„alt genug, um durchzudrehen.“ antwortete ich ihr.

„meinst du lange genug dabei oder lange genug am leben?“ fragte sie nach.

„nenn es, wie du willst.“ sagte ich.

„nun sag schon, wie alt bist du?“ ließ sie nicht locker.

„ich frag dich doch auch nicht, ob du nun 25 oder 27 bist.“ antwortete ich.

„ich bin 24.“

„na, dann eben 24, herrgott. und?“

„ich schätz dich mitte ende sechzig.“ sagte sie.

„bist nah dran. gut getroffen. bin 57.“

„siehst aber viel älter aus.“ kam es von ihr zurück.

„ja und?“ fragte ich.

„nur so.“

„und nun ist gut? fühlst dich jetzt besser?“

„nicht wirklich, aber man kann doch mal fragen, wie alt der mensch ist, dem man gegenüber sitzt.“

„ja klar, kannst alles fragen, solange es im kopf noch geht. weiter, was willst noch wissen?“

„nichts weiter.“ sagte sie.

wir schwiegen uns an, nur das rauspusten des zigarettenqualms füllte den raum mit geräuschen.

dann hin und wieder das klicken eines feuerzeuges, das mehrfachschnappdrehgeräusch vom rädchendrehen und kratzen am feuerstein, das geräuschvolle werfen meines feuerzeuges auf den tisch.

ich muß noch zigaretten holen, dachte ich, aber ich kann nicht, ich schaff das nicht.

irgendwo klingelte es im haus. und etwas später wurde der glascontainer am ende der straße geleert. ich fuhr hoch, erschrak ohnehin ständig bei kleinsten geräuschen, und manchmal schon, wenn ich mir nur vorstellte, daß ein geräusch gleich kommen würde.

„was ist los?“ hörte ich sie.

„glascontainer.“ japste ich.

„was für ein glascontainer?“

„der glascontainer wurde geleert.“

„ich hab nichts gehört. oder meintest du das weitentfernte schüttgeklirre?“

„mädchen, wenn das nicht laut war und durchdringend, dann weiß ich nicht was durchdringend und laut sein soll.“

„laute musik oder schreie.“ sagte sie.

„und sonst?“ fragte ich.

sie antwortete nicht sofort, aber dann: „ich glaub, ich bin mannstoll.“ sagte sie.

„und woran machst du das fest?“

„weil ich es ständig irgendwie brauche und mit jedem kerl ins bett gehe, egal wie der aussieht oder wie alt der ist.“

„du glückliche.“

„das ist kein glück, das ist anstrengend, weil, irgendwie will ich das gar nicht.“

„ja, hier läuft das jetzt auch nicht. bin viel zu schreckhaft und meine birne ist rundum dicht und pausenlos zugestellt, läßt mich gar nicht an was anlangen, synapsenverschluß, übertragungssperre seit langem, gefühlsverstopfung und empfindungszertrennung. wenn du mir jetzt deine möse oder titten zeigst, ist es dasselbe, als würdest du mir einen blumentopf hinhalten, ich würde ihn sehen und denken: tolles teil. aber egal ob da ’ne blüte dran hängen würde, ob das ding bunt wär oder farblos, stacheln hätte oder gar nichts, ich würde nur denken, was soll der sand im topf, und wenn kein sand drin wäre, würde ich denken, wieso ist mir das egal, daß kein sand im topf ist. wenn mir das überhaupt auffallen würde. aber irgendwie scheinst du mich ja doch zu beleben, sonst würde ich ja nicht die ganze zeit versuchen, dir was zu erklären. ich kann mich auch erinnern, daß das alles mal komplett anders war. schon solche worte wie von dir eben hätten ausgereicht, daß ich mir was hätte vorstellen können, und es hätte lebensbejahende impulse in mir ausgelöst, die hätten mich einfach aus dem nichts heraus belebt. von der wirkung freigelegter mösen und titten ganz zu schweigen. ich weiß es nicht mehr, ist zulange her, aber irgendwie muß das so gewesen sein, bis vor ein paar jahren noch hätte ich mir sowas, so einen menschen wie dich, gewünscht, aber jetzt… ich hab das auch mal in einem buch gelesen, war alles authentisch, daß wegen solchen frauen die beziehungen kaputt gegangen sind, weil deren männern das ständige verlangen ihrer frauen nach sex einfach zu viel war, und ich hatte die männer nie verstanden, wäre zu gerne an deren stelle gewesen.“ ich schwieg einen moment und sagte dann: „und wenn ich jetzt ’ne möse anstarre, dann kommt da nichts, das ist irgendwie alles dasselbe für mich, ich weiß nicht, wie ich dir das beschreiben soll, das ist als wenn ich keinen wirklichen unterschied verspüre obwohl ich weiß, daß das was anderes ist, aber mösenmäßig, weißt du, da ist das kein unterschied für mich, wie soll ich das bloß erklären, kein wirklicher unterschied zwischen butter und margarine, es ist einfach dasselbe für mich, da tut sich nichts, als wenn kein unterschied bestehen würde zwischen leber- oder mettwurst, kochschinken oder räucherschinken oder zwischen zungenwurst und teewurst, griebenschmalz oder schmalz ohne grieben oder zwischen gänse-, enten- oder schweineschmalz, ich kann mit allem gleichermaßen als ein- und dasselbe nichts anfangen, spüre und sehe keinen unterschied. und das ist echt furchtbar, das so zu empfinden, wenn man sich noch erinnern kann, wie man vor der depressionserkrankung und den psychopharmaka auf das leben angesprungen ist. egal ob ich einen finger irgendwo reinpieke oder einen finger bei dir reinstecke, ich würde sexuell nichts spüren oder fühlen. ich könnte nichts empfinden. das kannst du mir glauben.“ 

„wieso? du kannst doch noch bestens reden, dann kannst du bestimmt auch noch ein paar andere sachen machen.“

„mir tun die arme weh, alleine schon beim kippenausdrücken.“ steuerte ich mit meiner zigarette in der hand in richtung aschenbecher.

„du brauchst doch gar nichts machen, ich mach dir alles auf.“ sagte sie und kam zu mir herüber, nahm mir meine zigarette aus der hand, drückte sie in hastig schwungvoller bewegung im ascher aus, stieß an mein vor mir stehendes glas voller wasser, ich erschrak, doch das glas kippte nicht um, und auch die flüssigkeit schwappte nicht einmal über.

UNTERM SAFT GEHT’S WEITER / 98