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Vor zwölf Jahren gründete Bill Wyman die Rhythm Kings. am 25. Januar spielte die Band im Berliner Fritz Club. Billy The Kid besuchte das Konzert.

Bill Wyman ist der unterschätzte Stone schlechthin. Schon am Anfang seiner Karriere trübte der Makel der Umstände seines Beitritts zu den Stones sein Image – immer wieder wurde kolportiert, dass nur der Besitz eines Vox AC 30 (ein heute noch angesagter Verstärker) ihn in die Band brachte. Dazu kam sein Alter – er war deutlich älter als der Rest der Stones, war familiär gebunden, er hatte „gedient“. Insofern war er eben anders als der Boheme-Clan um Jagger, Richards und Jones.

Auch musikalisch wurde er unterschätzt. In manchen Alben wurden seine Bassspuren gelöscht und von Keith neu eingespielt, später fungierte der ehemalige Jeff-Beck-Bassist und neue Stones-Gitarrero Ron Wood als Bassist auf einigen Platten, leider ohne die Qualität der Wyman-Spuren.

Zu Anfang schrieben die Stones unter dem Pseudonym Nanker Phelge noch Songs gemeinsam, später wurden Songs immer unter Jagger/Richards verbucht, egal von wem die Songs oder Teile derselben stammten. So gibt selbst Richards zu, dass das Riff von Jumpin´Jack Flash eigentlich von Wyman stammte. Lediglich ein Titel (In another Land) auf  der eher schlechten Scheibe „Their Satanic Majesties Request“ berücksichtigt die Autorenschaft von Wyman.

Ansonsten war Wyman der solide Bassist schlechthin – die Rhythmusgruppe der Stones war ja legendär. Dabei war er durchaus wandlungsfähig: Blues war sowieso kein Problem für ihn (er spielte den Bass auf der London Wolf Howlin´Wolf Session), auch funkige Rhythmen oder Reggae waren für ihn kein Problem. So war es kein Wunder, dass er der erste Stone mit Soloprojekten war („Monkey Grip“), sogar ein Nummer-Eins-Hit fiel dabei ab.

Ansonsten kompensierte er seine fehlende Anerkennung in der Gruppe mit hemmungslosen Frauenverschleiß (die Oberweite der entsprechenden Damen wurden fotografisch dokumentiert), bizarr seine Beziehung zu einer damals 14jährigen, die er Jahre später ehelichte (nur kurz) und deren Mutter ausgerechnet seinen Sohn heiraten wollte (wozu es dann doch nicht kam). Er soll noch heute der Stone mit den meisten „flachgelegten“ Groupies sein, was angesichts der Konkurrenz von Jagger sicher auch eine Leistung ist.
Glücklicherweise erstreckte sich seine Neigung zum Dokumentieren nicht nur auf Frauen – quasi alles aus dem Stonesumfeld der frühen Jahre, von Fotos, Presseartikeln, Tickets etc. wurde von ihm gesammelt und später veröffentlicht.

Ich sah ihn mit den Stones 1990, kurz bevor er diese verließ und live von Darryl Jones (Miles Davis, Sting) ersetzt wurde. Er war markant – stoisch stand er vor seinem Bassamp und zeigte keine Regung beim Spielen – der Legende nach suchte er am Bühnenrand die Dame mit der größten Oberweite.

Solo gründete er vor 12 Jahren die Rhythm Kings,  ein Ensemble gestandener Musiker, mit denen er nur Spass haben und die Musik spielen wollte, zu der er Lust hatte. Am Montag war nun diese Band in Berlin. Das Konzert sollte in der Columbiahalle stattfinden, kurz zuvor wurde es in den deutlich kleineren Fritz-Club am Ostbahnhof verlegt. Für mich war das ein Glücksumstand, mein Sitz war zwei Reihen von der Bühne entfernt. Kurz nach 20.00 Uhr war es dann soweit: Bill Wyman kam auf die Bühne. Seine erste Ansage galt der Band, von der er sagte, dass sie nur aus einem Grund spiele, nämlich „to have fun“. Und dann rief er die Musiker einzeln auf die Bühne, darunter so illustre Typen wie Georgie Fame (Hammond B3), den soliden Gitarristen Terry Taylor, Graham Broad und den ganz unglaublichen britischen Gitarristen Albert Lee (der als Brite in der amerkinaischen Country-Szene ein ganz Großer ist und der z.B. mit Clapton auf den Crossroads-DVDs zu sehen ist). Hier die gesamte Besetzung:

Bill Wyman (bass) Georgie Fame (organ) Albert Lee (guitar)
Beverley Skeete (vocals) Terry Taylor (guitar) Geraint Watkins (keyboard)
Graham Broad (drums) Nick Payn (sax) Frank Mead (sax).

Das Konzert startete auch furios mit dem Ray-Charles-Klassiker „I´ve got a woman“, gesungen von Georgie Fame. Und es ging genauso furios weiter, gespielt wurden Soul („This is a men´s world“), famoser Blues (Titel von Little Walter and T-Bone Walker), Rock´n´Roll (eine fantastische Version von Johnny B. Goode , Cajun und sogar Jazz. So jammte die Band sich durch das eher abgehangene „Hit the Road Jack“, dann führte Georgie Fame die Truppe im Song weiter zu „Fever“ und sogar zu Summertime. Dazwischen fantastische Soli der Bläser und von Albert Lee, der seinem Music-Man-Verstärker ganz eigene Töne entlockte.

Der Sound der Band war eher Old School – die Bassdrum war kaum zu hören (was keinem Drummer heute passieren würde), auch der Bass war eher dezent. Wyman spielte einen headless-Bass aus den 80ern mit aktiven Pickups, die normalerweise ordentlich Dampf über seinen Ampeg machen würden, durch seine sehr eigene Anschlagstechnik (fast nur mit Daumen) klang er eher wie ein Kontrabassist.

Insgesamt war zu merken, dass keiner der Musiker es nötig hatte, sich nach vorne zu spielen. Man merkte, dass sie jede mögliche Bühnensituation schon mal erlebt hatten. Das war vielleicht auch das einzige (kleine) Manko des Konzerts: es fehlte etwas der Biss, den Bands haben, die noch etwas wollen. Und trotz des verhaltenen Humors, der bei seinen (seltenen) Ansagen durchblitzte: Bill Wyman ist kein Frontmann, keine „Rampensau“.

Das offizielle Konzert endete mit „Honky Tonk Woman“, gesungen von Bill Wyman! Das (eher ältere – mit meinen 44 war ich fast noch Youngster dort) Publikum forderte begeistert Zugaben, die es auch bekam. Insgesamt ein fantastischer Abend.