Nein, Bing Futch ist nicht der typische Bluesman, der mit seiner Gitarre an der Kreuzung sitzt. Vom Aussehen her erinnert der Musiker eher an ein Rastafari. Doch ursprünglich hat er christlichen Techno-Punk gespielt. Seither hat er unter anderem Soundtracks komponiert und die Americanaband Mohave gegründet, bei der die Mountain Dulcimer das Hauptinstrument ist. Aber Blues gehörte eigentlich nicht zur Musikwelt Futchs, bis er 2015 erstmals zur International Blues Challenge geschickt wurde. Zur Vorbereitung darauf verordnete er sich eine strikte Bluesdiät und nahm „Unresolved Blues“ auf, eine Sammlung von Songs aus den verschiedensten Zeiten und Regionen des Blues. Hier kann man Stücke hören, die noch auf die afrikanischen Wurzeln des Blues zurückgehen wie „Juke Joint Hen“ Hill Country Blues aus dem Norden Mississippis („Harperville“). Tampa Red’s witziger Hit „It’s Tight Like That“ wird mit wütendem Slide-Spiel ungewohnt ernsthaft. Und selbst totgecoverte Nummern wie „Sweet Home Chicago“ klingen allein mit der Dulcimer gespielt absolut unverbraucht und brandneu.
Und wer glaubt, dass die Dulcimer ein rein akustisches Instrument ist: Bing Futch jagt sie gerne auch mal durch diverse Effektpedale, so dass ein Kritiker ihn schon als Hendrix des Instruments preisen musste. Stücke wie das relaxt dahingroovende „Listen Closely Mama“ klingen dann mehr nach einem elektrischen Bluesrocktrio als nach Soloeinlagen eines Zitherspielers.
Insofern kann man die Entscheidung der Jury in Memphis gut verstehen: Wer den Blues, ob alte oder neue Songs, so ungewohnt und einzigartig präsentiert, verdient jede Auszeichnung, selbst die als bester Gitarrist. Auch wenn er überhaupt keine Gitarre angefasst hat während seines Auftritts. Vielleicht aber bezieht er die vierseitige Cigar-Box-Gitarre, die mit der Auszeichnung verbunden ist, ja künftig in seine Shows ein. Zuweilen greift Bing Futch schon jetzt zu Ukelele oder Flöten amerikanischer Ureinwohner. (cdbaby)