Was am 27. Februar 2013 aus einer Laune heraus zwischen mir und Raimund Nitzsche begann, wurde am 9. April 2013 zur Wirklichkeit. Es ergab sich die einmalige Gelegenheit, Johnny Winter und Teile seiner Band vor dem Auftritt zu interviewen. Johnny Winter tourt wie immer in einem eigenen Tourbus, in welchen er auch gelegentlich Fans empfängt und Interviews gibt.
Von Franz Ilmberger und Mario Bollinger
Bevor wir zum Gespräch mit Johnny kamen, unterhielt ich mich seinem Bandmanager Paul Nelson über die gestiegene Popularität von Johnny Winter.
Paul sprach von sehr gezielten Marketing-Aktivitäten, die Johnny Winter z.B. auf Facebook in kurzer Zeit 86000 „Gefällt mir“ bescherten. Das vermehrte Posten von Videos und Bildern in den sozialen Netzwerken lockt auch mittlerweile die jüngere Generation in seine Konzerte. Gleichzeitig verdoppelte sich die Konzertbesucherzahl. Paul Nelson führt das auch auf Johnnys neue Offenheit zurück, ausführliche Interviews zu geben oder sich auch bei David Letterman zu präsentieren. Die Idee, mit einer „Roots“-CD sowohl die musikalische Wurzeln zu zeigen wie auch musikalische Freunde zu den Aufnahmen einzuladen, wurde bei Paul Nelson geboren. Leider lies Johnny sich bei den Aufnahmen so viel Zeit, dass andere mit dieser Roots-Idee schneller und erfolgreicher auf den Markt kamen. Zum Interview fanden wir einen blendend gelaunten Johnny Winter vor, der uns herzlich im Bus willkommen hieß. Johnny macht, was auch durch Paul bestätigt wurde, einen hervorragenden körperlichen Eindruck. Bei dem 2 Tage zuvor stattgefundenen Konzert im Pariser Olympia spielte Johnny Winter 2 Songs im Stehen. Auch hier freute sich Paul Nelson, dass Johnny Co-Musiker wie seinen Bruder Edgar Winter und auch Robben Ford auf der Bühne begrüßte.
Das nun vierte Konzert in München lockt natürlich die Eröffnungsfrage, was Johnny von München weiß.
Er bedauert es, dass er immer noch sehr wenig von München kennt. Auf die Frage, ob er denn auch bayerische Schmankerl kennt, musste er erneut verneinen. Spontan haben wir vereinbart, dass wir zur nächsten Tournee ein bayerische Frühstück nach der Show für die Johnny Winter Band organisieren.
Paul Nelson erwähnte im Vorfeld, dass Johnny Winter mittlerweile wieder konstant 3 Konzerte pro Woche gibt. Daher befragen wir Johnny nach seinem Tagesplan auf der Tournee und zu Hause: Unterwegs verbringen sie die Zeit vor Ort hauptsächlich mit Soundcheck und zu Hause erfreut ihn das TV-Programm.
Kein Musiker wird mehr an seiner Gitarren gemessen wie Johnny Winter.
Seine Earlwine Lazer und Gibson Firebird sind hinlänglich besprochen. Daher richtete sich eine Frage an eine Fender Electric XII, die Johnny Winter Ende der 60er Jahre z.B. auf dem Woodstock Festival gespielt hat. Johnny erzählte uns, dass er diese urspünglich 12-saitige Gitarre mit 6-Saiten-Bespannung nach wie vor besitze aber definitiv nicht mehr spielt. Diese Fender Electric XII ist vor allem beim „Mean Town Blues“ zu hören gewesen. Ein weiteres Unikat einer Gibson Firebird hat entgegen der normalen Headstockausprägung mit 6 Tunern in einer Reihe eine Variante, wo die Kopfplatte die Tuner in 2 Reihen zu 3 Tunern bestückt hat. Johnny Winter erklärte, dass er diese Gitarre bereits in diesem seltenen Zustand gekauft hat und die seltene Kopfplatte durch die Reparatur einer gebrochenen Originalkopfplatte zu Stande kam. Paul Nelson bemerke, dass Gibson sich sogar bereit erklärt hat, diese einmalige Firebird als Signaturemodell aufzulegen, wobei sogar die Haarrisse und Bruchspuren identisch als Designmerkmal kopiert wurden.
Johnny Winters besonderes Können liegt vor allem beim Slidegitarrenspiel. In der Vergangenheit waren auf den veröffentlichten Alben immer wieder Stücke zu hören, die Johnny auf seiner National Gitarre gespielt hat.
Wir fragten deshalb, warum diese National nicht mehr live bei der Auftritten von ihm gespielt wird. Johnnys Antwort war einfach: Mit dieser resonanzanfälligen akustischen Gitarre kann man mit Verstärkung nicht die Lautstärke erreichen, um große Säle damit anzusprechen. Schade!
Auf vielen veröffentlichen Bildern von Johnny Winters Equipment oder Gear sieht mal einen MusicMan Verstärker, der alle Knöpfe auf vollen Einstellung hat oder den Boss Chorus, der immer in halber Position steht. Die Frage, ob Johnny hier noch am Equipment experimentiert, beantwortete er mit einem kurzen „NO“.
Paul Nelson informierte uns im Vorgespräch über die neue CD „Roots 2“.
Hier hat Johnny Winter über Facebook aufgerufen, Vorschläge für Co-Musiker zu machen. Daher waren wir sehr gespannt, was Johnny zur neuen CD zu erzählen hatte. Als Gastmusiker werden unter anderem zu hören sein: Dr. John, der Weggefährte aus den frühen Jahren. Auch konnte er Gregg Allman und Mark Knopfler für je einen Song gewinnen. Selbst Jon Paris nahm für Johnny Winter noch mal die Gitarre in die Hand. Ob Johnny Winter bis zur Fertigstellung auch Eric Clapton gewinnnen wird, stand heute Abend noch nicht fest. Und jetzt aufgepasst: Die CD wird im Mai fertiggestellt und ist dann voraussichtlich ab August diesen Jahres im Handel erhältlich. Leider ist Thommy Shannon nicht mit von der Party, da es ihm nicht so besonders gut geht.
Johnny Winter war nicht nur als Musiker erfolgreich. In der Zusammenarbeit mit Muddy Waters betätigte sich Johnny Winter auf 4 CDs als Produzent.
Verbunden mit dem frühen Tod von Alvin Lee und Gary Moore und dem Verlust an Wissensträgern des Blues stellten wir die Frage, ob Johnny Winter hier wieder mehr als Produzent oder als Coach junger Blueser aktiv werden möchte. Johnny lächelte und sagte, er würde das gerne machen, aber momentan fragt keiner danach. Außerdem würde Paul Nelson hier bereits einen guten Job machen. Das eingangs erwähnte Sitting-in von Gastmusikern ist ein neue Seite an Johnny Winter. Bis in die späten 90er Jahre gab es nur einen Solokünstler auf der Bühne und der hieß Johnny Winter. Seit vielen Jahren bringt Paul Nelson Johnny nun dazu, auch auf der Bühne Gastmusiker einzuladen oder selbst als Gastgitarrist aufzutreten. So zu sehen bei Eric Claptons Blues Festivals. Johnny auf sein Konzert in Paris angesprochen, bejahte er ein gelungenes Konzert mit seinem Bruder Edgar Winter und Robben Ford.
Johnny Winter hatte in den letzten vier Jahren 3 Schlagzeuger in seiner Band.
Auf die Frage, nach welchen Kriterien er seine Schlagzeuger auswähle, brach ein lautes Gelächter im Bus aus und Johnny antwortete lachend: Er muss gut und laut sein, was Tommy Curiale an dem Abend bewies und eine Snaredrum kaputtspielte.
Wir fragten Johnny, ob er denn neben seiner National auch wie früher auch noch seine Blues Harp spielt.
Plötzlich machte Paul Nelson heftige Bewegungen und deutete auch ein kleine Schachtel auf dem Tisch. Und was jetzt kam, war eine Sensation: Johnny holte eine Blues Harp aus der Schachtel und spielte exklusiv im Bus einige tunes wie in den guten alten Zeiten. Bei Johnny geschehen auch im hohen Alter von fast 70 Jahren noch Zeichen und Wunder.
Auf dem Album Johnny Winter And Live aus dem Jahre befindet sich ein Rock’nRoll Medley, das hörbar gekürzt wurde.
Auf dem grauen Bootleg-Markt gibt es diesen Mitschnitt als Version, die bei 22 Minuten ausblendet und vermutlich noch länger ist. Hier ist unter anderem ein 10 Minuten langes Solo von Rick Derringer zu hören.
Wir wollten wissen, ob Johnny Winter sich entschließen kann, diese Originalversion auf einem seiner nächsten Live Bootleg Alben zu veröffentlichen. Johnny meinte, er möge das Album nicht so gerne und er habe damit abgeschlossen. Damit sind wohl die Hoffnungen zunichte, diese lange Version jemals offiziell zu hören.
Auf dem Freisinger Konzert 2011 hatte ich die Gelegenheit mit dem Opener Leo Lyons zu reden. Ich fragte ihn, an was er sich erinnert, wenn er an das gemeinsam bestrittene Woodstock Festival bezüglich Johnny denkt. Die gleich Frage stellte ich heute an Johnny bezüglich Leo Lyons. Beide erklärten mit einem verschmitzten Lächeln, dass sie nämlich nichts voneinander mitbekommen haben, da Johnny die meiste Zeit am Woodstock Festival geschlafen hat.
Ich befragte Johnny Winter nach seinen Erfahrungen mit Internet Blues Radios.
Er begrüßte außerordentlich das Internetangebot an Bluessendern und wenn sie seine Geschmacksrichtung treffen, hört er sich auch. Gleichzeitig vereinbarten wir, dass wir Johnny Winter in der nächsten Zeit zu einem online-chat während einer Bluessendung hier in Deutschland einladen, was er und Paul Nelson unter Absprache mit seinem Pressesprechen John Lappen begrüßen.
Um 20.30 Uhr kam dann die Johnny Winter Band ganz ohne Vorgruppe pünktlich auf die Bühne. Johnny Winter folgte kurz darauf und stieg ins Intro mit ein. Er machte sofort klar, dass heute Abend der Johnny Winter Rock’n’Roll im Vordergrund stand.
Nach dem Intro kam sofort „Johnny B. Goode“ und der Bühnensound überraschte mit einer angenehmen Lautstärke und einem kompakten Sound der Band. Johnnys Gesang war fest und solide, mit seinen soliden und bekannten Gitarrenriffs machte er einen gelegentlich Fehlton mehr als wett. Es folgten seine Hauer wie „Jumping Jack Flash“ und „Bony Maroni“, wobei Johnny Winter und Paul Nelson sich durchaus ergänzen und man deutliche Variationen zu den altbekannten Arrangements hörte. Nach „Lone Wolf“ von seiner „I’m a Blues Man“ CD und einer tollen Version von „Don’t take advantage of me“ musste der Bassist Scott Spray seinen Boss erstmal einbremsen, da Tommy Curiale sein Snaredrum demoliert hatte und es ausgetauscht werden musste. Wie muss ein Johnny Winter Drummer sein: Gut und Laut! Als Johnny dann bei einem weiteren Song sein Intro startete, ohne für die Band einzuzählen, hiess es stop und zurück auf Anfang: one two one two three und schon ging es wieder mit der gesamten Band los.
Das Konzert sollte mit dem Johnny Winter Standard „It’s all over now“ enden. Als Johnny Winter dann aufstehen wollte, um die Bühne zu verlassen, zwang ihn ein Krampf einem Bein fast wieder auf die Bretter. Seine herbeigeeilte Assistentin und Paul Nelson animierten Johnny aber sofort zu einer Beingymnastik auf der Bühne, so dass keine 5 Minuten später Johnny sich seine Firebird bringen ließ und zur Zugabe ansetzte. Und wenn Johnny sich sein Bottleneck auf den Finger zieht und auf der Firebird sein „Dust my broom“ und „Highway 61“ anstimmt, dann ist klar wo der Hammer hängt oder der Bartel seinen Most holt. Johnnys Slidespiel ist in meinen Augen die Magie, die Johnny Winter auch heute noch versprüht. Am diesem Abend hat Johnny Winter in einer gut gefüllten Halle und bei gutem gesundheitlichen Zustand bewiesen, dass man nach wie vor mit ihm rechnen muss. Wir freuen uns auf „Roots 2“ und „Live Bootlegs 9“.
habt ihr Klasse gemacht! weiter so..