Im Rahmen unserer Bildungsveranstaltungen unter dem Motto „DEFA-Filme zwischen Staatsauftrag und Kunst“ zeigen wir am 2. Mai um 19.30 Uhr in der Wirkstatt den DEFA-Film „Der verlorene Engel“.
Man schreibt „das schlimme Jahr“ 1937. Am 24. August dieses Jahres stehlen die Nazis Ernst Barlachs „Schwebenden Engel“ aus dem Dom zu Güstrow.
Die DEFA zwischen Staatsauftrag und Kunst
Zu dieser Zeit lebt der bedeutende Bildhauer und Zeichner, Autor und Essayist schon völlig isoliert in seinem Haus in Güstrow. Der Tag, an dem der Diebstahl offenbar wird, wird dem Künstler zu einem Tag kritischer Selbstbefragung und -analyse. Barlach denkt über das vergangene Jahr nach. Sein Werk wurde von den Nazis als „entartete Kunst“ gebrandmarkt, zum großen Teil beschlagnahmt und zerstört. Auch zwang man ihn, „freiwillig“ aus der Akademie der Künste auszutreten.
„Wissen meine Figuren mehr als ich?“, fragt Barlach sich. Er stürzt in tiefe Resignation und erkennt, dass es nicht genügt, sich nicht mit den Nazis arrangiert zu haben, dass er etwas gegen sie hätte tun müssen. Doch seine Kräfte sind erschöpft. Zum Widerstand, den er als notwendig begreift, fehlen ihm nun schon die physischen Voraussetzungen.
Von den nach dem berüchtigten 11. Plenum des ZK der SED verbotenen Filmen war dieser von Regisseur Ralf Kirsten 1966 realisierte Film der einzige, der ein historisches Thema hatte. Doch auch dieser Film fiel der Zensur zum Opfer, wurde ihm doch unterstellt, er reflektiere am Beispiel der faschistischen Diktatur das Verhältnis des Künstlers auch zur gegenwärtigen Gesellschaft. Kirsten erhielt nach Barlachs 100. Geburtstag 1970 die Gelegenheit, den Film zu bearbeiten, was bedeutete, ihn zu kürzen. In nur vier Kopien wurde er schließlich 1971 gestartet. In seinem Spannungsfeld von Wort (fast ausschließlich Originalzitate von Barlach) und stilisierten Bild fand der Film zu einer ganz eigenen, faszinierenden Ästhetik.
2. Mai 2013, 19.30 Uhr
Wirkstatt (Gützkower Str. 83, 17489 Greifswald)
Eintritt ist wie immer frei. Getränkeversorgung ist gewährleistet.
Der verlorene Engel
Literaturverfilmung, Künstlerporträt
Nach der Novelle „Das schlimme Jahr“ von Franz Fühmann
DDR, 1966/1971
Regie: Ralf Kirsten
Drehbuch: Ralf Kirsten
Musik: André Asriel
Kamera: Claus Neumann
60 min, s/w
Darstellerinnen/Darsteller: Fred Düren (Ernst Barlach), Erika Pelikowsky (Frau Barlach), Erik S. Klein (Kutscher), Agnes Kraus (Alte Frau), Walter Lendrich (Taxifahrer), Heidemarie Wenzel (Braut), Frank Schenk (Bräutigam), Karl Paustian (Hirte), Gert Jurgons (SA-Mann), Gerhard Hubert (SA-Mann), Gerd Alverdes (Pfarrer), Uwe Leonhardt (Junge von Barlach), Carola Schirmer (Mädchen), Berko Acker (Freund des Mädchens), Theodor Klubsch (Kantor), Christa Michaelsen (Organistin), Gerd Unger (Trommlerjunge)
Literatur / Literaturempfehlung: Das große Lexikon der DEFA-Spielfilme / Spur der Filme