Der zweite Tag, mit dem zweiten Highlight beim 15. Kasseler Weltmusikfestival 2012. Auch heute wieder deutlich über 600 Besucher im Foyer der Kasseler Sparkasse künden von einem riesigen Interesse an dieser Musik und dem Vertrauen in die Programmmacher des Kulturzentrums Schlachthof und ihre hervorragende diesjährige Auswahl. Auch heute beginnt der Abend wieder mit einer besonderen Würdigung der menschlichen Stimme. War es gestern mit Bet Williams ein Frau, die das Publikum mit ihrem Gesang begeisterte, so sind es heute die neuen Männer aus Südafrika und den USA, die sich in der A-Capella-Gruppe Ladysmith Black Mambazo dem erwartungsvollen Publikum präsentieren.
Dieser besondere Männergesangsverein wurde Anfang der 1960er Jahre von dem (damals jungen) Fabrikarbeiter Joseph Shabalala nach seiner Konvertierung zum Christentum in Südafrika gegründet. ‚Ladysmith‘ ist der Name des heimatlichen Townships, ‚Black‘ nimmt Bezug auf das stärkste Tier einer Rinderfarm, den Ochsen, und, ‚Mambazo‘ ist das Zulu-Wort für Axt, welches die musikalische Durchschlagskraft des Chors symbolisiert.
Joseph Shabalala, heute Professor, deutlich gealtert, aber immer noch von fulminanter Beweglichkeit, nicht nur in der Stimme betritt mit seinen Jungs die Bühne und sofort platzt der Knoten zwischen Künstlern und Publikum. Eine starke Fraktion afrikanischer Gäste bereitet Ladysmith Black Mambazo spontane Heimatgefühle, aber auch das restliche Publikum ist sofort offen für diese Musik. Und die geht ins Blut! Lieder aus der globalen Dörflichkeit des lebendigen Frohsinns zaubern die atmosphärische Dichte eines Township-Marktplatzes irgendwo in Südafrika. Vergessen, die alltäglichen Mühen, die jahrzehntelange Unterdrückung durch rücksichtslose Ausbeuter. Hier erklingen die Stimmen der Freiheit, aber auch des Widerstandes und des kraftvollen Durchhaltens. Einfache Themen aus dem dörflichen Leben, gesungen und durchdrungen von neunstimmigem Frohsinn und Lebensfreude, die kleinen Schwierigkeiten der zwischenmenschlichen Missverständnisse oder die beeindruckenden Dinge des Daseins, wie die Schönheit des Regens alles dies sind Themen in den Liedern von Ladysmith Black Mambazo. Und wieder und wieder begeistert dieser Isicathamiya genannte Gesang, was auf Zulu bedeutet: „auf Zehenspitzen gehen/stehen“ oder „anschleichen“. Und auch diese Form der Bewegung wird immer wieder in der Choreografie der Gruppe dargeboten; plötzlich werden die Füße bis über Kopfhöhe hochgeworfen, oder auf den Boden geklatscht. Selbstverständlich fehlt auch nicht der Song, der sie in der weiten Welt bekannt gemacht hat und der aus der Zusammenarbeit mit Paul Simon für sein Album „Graceland“ stammt: Homeless. – Das Kasseler Publikum zollt diesem Chor brausenden Beifall!
Nach der Pause kommt mit Bandista aus Istanbul erneut ein besonderes Kontrast-Programm. Dieses junge Musikkollektiv aus einer der größten Städte Europas hat sich politischer Weltmusik verschrieben. Sie beginnen ihren Set langsam, tragend, aber mit den so bekannten 1-2-3, 1-2-3 Balkan-Beats. Ihre Musik versprüht jugendlichen Sturm und Drang. Ihre in türkisch gesungenen Texte machen auf gesellschaftliche Missstände in ihrem Heimatland aufmerksam. Leider ist türkisch hierzulande für die meisten immer noch unverständlich und so war die Musik klar im Vordergrund. Diese Mischung aus anatolischem Folk, Ska, Reggae und Ähnlichem spielen die zwei Damen und sechs Herren auf E-Bass, Gitarre, Keyboard, Akkordion, Saxophon, Violine und Trompete. Dazu gibt es meist mehrstimmigen Gesang. Mit dem Tempo kam auch die Tanzbarkeit und im Publikum fühlen sich besonders die Frauen inspiriert sich damit auszudrücken. So bekam das Ganze mehr und mehr den Charakter von Straßenmusik, ein Umstand, der einen besonderen Reiz versprühte im Foyer dieser Sparkasse. Bestens angekommen war an diesem Abend Bandista ebenso. Zwei Zugaben brachten das nachhaltig zum Ausdruck.
Die besondere Stellung dieses Festivals wurde auch in diesem Jahr wieder durch die Präsenz des Hessischen Rundfunks bezeugt. Wer kann sollte sich die Sendung am 14.06.2012 um 21:30hauf hr2 „Musik der Welt“ nicht entgehen lassen.