War uns beim gestrigen Konzert nicht wirklich klar, welche Gattung Musik wir da zu hören bekamen, ist das mit dem Konzert vom norwegischen Helge Lien Trio zweifelsfrei klar. Dies ist eine reine Jazz-Variante von Weltmusik! Und die ist absolut herausragend vorgetragen. Da waren sich alle im voll besetzten Auditorium einig.
Das Trio beginnt seinen Set leise, verhalten, ja fast naiv und irgendwie erinnerte es an Bartoksche Kinderlieder, was da von der Bühne perlte. Und ebenso hat es diese typische nordische Coolness, die Jazz aus diesen geografischen Regionen zu einer eigenen Art macht. Perfekte Technik, meisterliche individuelle Auseinandersetzung mit der Thematik und ein unglaublich ausgewogenes Zusammen-Spiel: keiner muss sich auf Kosten der anderen beweisen.
Helge Lien bedient sich dabei nicht nur der Wirkung des Klanges, den der kleine Flügel über die Tasten hervorbringt, nein, er hat auch keine Ängste, in das Instrument zu greifen und so mit der linken Hand die Töne zu manipulieren oder ganz neue entstehen zu lassen. Die Dynamik seines Anschlags ist variantenreich und sicher. Gemeinsam mit seinen beiden Mitspielern schaffen sie immer wieder aufs Neue Landschaften, die sich von schöner farbenprächtiger Beschaulichkeit zu gewaltig bedrückenden Endzeitszenarien verwandeln. Der Stil nimmt dafür kleine Anleihen aus dem freien Bereich, ohne das die gesamte harmonische Ästhetik den geringsten Schaden nimmt.
Das das so gut klappt ist eben auch das Verdienst von Knut Aalefjaer an den Drums und Frode Berg am Bass. Aalefjaer gelingt es immer wieder die Rhythmen zu zerlegen und zu sezieren, ohne das sein Gerüst je schwankt. Sein Spiel ist ein augenfälliges Beispiel für die Unterschiedlichkeit eines Jazz- und Rock-Drumers. Seine Vorliebe, dem Snare das Schnarren zu entziehen, gibt dem Gesamtklang dabei eine spezielle ‚Erdung‘. Frode Bergs Spiel auf dem Kontrabass benutzt häufig den Bogen, um so die Töne gaaanz laaang zu streichen und die Stimmung eines Stückes zu intensivieren. Seine Fingerfertigkeit ist aber gleichfalls meisterlich und so sind die drei mit einer enormen Vielfalt klanglicher Ausdrucksmöglichkeiten versehen.
Das Publikum nimmt die durchweg längeren Stücke dieses einen, über 90 Minuten währenden Sets, mit großer Anteilnahme und Sympathie entgegen, was wiederum zu besonderer Dankbarkeit auf der Bühne führt. Solch ein Wechselspiel zwischen Band und Besuchern macht einfach allen Spaß!
Als Zugabe gibt’s das Titelstück der aktuellen CD „Natsukashii“, ein kleines, verträumtes Stück über die spontan auftretenden Erinnerungen bei plötzlichen Begegnungen. Noch ein letztes Mal diese naive Verspieltheit des Trios, noch ein letztes Mal starker Beifall für ein erstklassiges Konzert im Kulturzentrum Schlachthof.