Mal rockig, mal mehr in Richtung Country – aber immer eingängig und perfekt produziert kommen die Songs auf „Carry On“ daher. Entstanden ist das zweite Album des aus Boston stammenden Songwriters für das deutsche Label Cactus Rock Records in Boston, Nashville und Köln.
So international die Entstehung und die Herkunft der beteiligten Musiker: Die Musik von Jay Ottaway ist so typisch amerikanisch, wie überhaupt nur denkbar. Man hört in seinen Liedern immer wieder Anklänge an die Heartbreakers von Tom Petty, an Folkrock in der Nachfolge der Byrds, an aktuellen Country-Pop und ab und zu auch an Blues oder Jazz. Mal wird es rockiger und klingt zuweilen auch nach Songs von Springsteen, häufig sind es Balladen, die das Tempo rausnehmen und die mit Pedal Steele und Geige in jeden Country-Schuppen passen können.
Aber wenn man genauer hinhört, dann entdeckt man auch die Einflüsse aus Deutschland. Schließlich ist der Songwriter seit vielen Jahren hierzulande live zu erleben und tourt mit deutschen Musikern. Und so nimmt es nicht Wunder, dass ein Lied wie „Old Messiah“ auf dem urdeutschen „Lindenbaum“ von Wilhelm Müller basiert. Aber auch das passt: Die deutsch-romantische Unruhe und Naturverbundenheit verträgt sich gut mit Liedern über das Leben on the road und die Unsicherheit in Beziehungen. Und so eine vom Sound her typische Country-Nummer wie „Old World Wine“ spielt nicht nur mit den Klischees von Alter und Neuer Welt – sie wurde auch gemeinsam von Ottaway mit dem deutschen Gitarristen Julian Müller und dem irischen Texter Michael Cummins gemeinsam verfasst.
Gewidmet ist das ganze Album den Opfern des Bombenanschlags beim Boston Marathon im letzten Jahr. Mit diesem Ereignis setzt sich besonders „Even Moses Is Crying“.
Insgesamt ist „Carry On“ ein perfekt produziertes Songwriteralbum zwischen Rock und Country. Die durchweg intelligenten Lieder könnten für meinen Geschmack oftmals ein wenig mehr „Dreck“ vertragen. Aber so ist das Album wahrscheinlich viel eher auch mal im Radio zu hören. Und das haben die Lieder eindeutig verdient. (Cactus Rock Records)
Raimund Nitzsche