Den spezifischen Ton Nordeuropas will das dänische Quartett Nordens Tone aufspüren. War das Debüt eine Auseinandersetzung mit Songs von Grönland bis zu den Färoern im Geiste des Jazz, finden sich auf dem zweiten Album auch eigene Stücke der Musiker, die diese teils melancholische teils humorvolle Fusion aus Folklore und Jazz fortschreiben.

Am Anfang stehen für mich die Aufnahmen von Jan Garbarek und Keith Jarrett, die ich beim Babysitten in der Plattensammlung eines Freundes fand. Diese leichte und elegante Melancholie, die Weite in den Klanglandschaften – genau damit ist in meiner Vorstellung ein Begriff wie „Nordic Jazz“ verknüpft. Irgendwann verlor ich das Interesse, als Garbareks Musik immer beliebiger und gefälliger wurde. Irgendwann brachte ich in einem Konzertbericht gar die Formulierung von der „Esoterik für Besserverdienende“ unter. Und in die Kategorie sortierte ich für mich auch die meisten der oft hochgelobten Sängerinnen ein, die in den letzten Jahren auf den Jazzfestivals und in den Feuilletons gefeiert wurden. Sie rührten in mir nichts an. Und ich hatte auch ehrlich gesagt keine Lust, mich wirklich auf ihre Musik einzulassen. Mit diesem Album hat sich das geändert.

Was das Jazz-Trio (Pojken Flensborg – p, Torben Bjørnskov – b, Hans Mydskov: sax) gemeinsam mit der aus der Folkszene stammenden Sängerin Jullie Hjetland hier spielt, ist einerseits direkt zum Herzen sprechender Folk: auch wenn die Melodien hierzulande nicht bekannt sein dürften, ihr Gefühl ist über die Sprachgrenzen hinweg sofort verständlich. Und da ist es vollkommen nebensächlich, ob es sich um traditionelle Melodien oder um neue Kompositionen handelt. Gleichzeit sind die Balladen und Songs in Arrangements und Interpretation Jazz für Genießer: Im Hin- und Herjonglieren der musikalischen Ideen zwischen Stimme und Instrumenten, im spielerischen Aufbau von Spannungsbögen in der Improvisation werden aus den scheinbar simplen Melodien musikalische Kleinode.

Nordens Tone haben mir die Freude am Jazz aus dem Norden wieder gegeben. Und „Septentrio“ ist seit langen wieder mal ein modernes Jazzalbum, das mir selbst beim zehnten Hören noch keinerlei Langeweile bereitet. Die Spannung bleibt – und die Faszination auch angesichts dieser traumhaften Musik.