Kommt zusammen für ein besseres Morgen. Die Hoffnung liegt ja immer in der Zukunft und dauert bei den sehr optimistischen Zeitgenossen ewig an. Die Hoffnung und der Wu-Tang Clan – wer oder was hält sich sonst noch ewig? „Wu Tang Is Forever“ – so weiß man es seit 1997 in der gesamten HipHop-Welt. Nun hatte ich dieses Jahr die Chance eine meiner liebsten und von mir am meisten gehörten HipHop Acts live zu erleben.
 

Die legendären Mitglieder vom Wu-Tang Clan besuchten am 24.06.2015 die Hauptstadt Berlin. Offiziell kamen sie im Namen ihres neuen und wahrscheinlich letzten Albums „A Better Tomorrow“. Allerdings stellte sich heraus, dass das Beste an der A Better Tomorrow Tour ( insgesamt 5 Konzerte in Deutschland) die Abwesenheit jeglicher Tracks von ebendiesem Album ist. Das letzte Werk des Clans ist nicht schlecht. Es hat seine Höhepunkte in langsam dahintrabenden Beats, die durchsetzt sind mit den altbekannten Samples aus den Kung Fu Filmen der 70er Jahre und den Momenten, in denen Method Man und Ghostface Killah zeigen, dass sie musiktechnisch in all den Jahren nichts eingebüßt haben. An die rohe Energie des ersten Albums allerdings kam der Wu Tang Clan als Gruppe nie mehr heran. Und so schlägt man sich vor einem Konzert von Legenden mit der Sorge herum, ob die Helden der Jugend mit der voranschreitenden Zeit nicht doch etwas von ihrer Energie eingebüßt haben. Ob der kreative Funke noch zündet. Denn wer will schon Roger Waters solo hören, wenn es „Shine On You Crazy Diamond“ gibt?

Als ich mit zwei Freunden beim Konzert ankam, fiel mir zuerst auf, dass der Clan noch immer Zugkraft hat. Es sind zwar keine 70.000 Leute, wie sie AC/DC am Tag danach ins Berliner Olympiastadion holten, aber immer noch genug um das Konzert aus der Columbiahalle in die ARENA Berlin zu verlegen. Wobei man hier fragen sollte: warum? Zum einen scheint die ARENA nicht in der Lage zu sein, einen vernünftigen Sound herzustellen. In meiner akustischen Weltsicht sind Bässe und ein paar Höhen und sonst NICHTS kein gutes Klangerlebnis. Zum anderen lässt sich auf pure Gier schließen, wenn man bedenkt, dass in der ARENA mehr Tickets verkauft werden konnten, obwohl die Veranstalter den Fans eines vorher verschwiegen hatten: Der Wu-Tang Clan war nicht komplett in Deutschland. Dazu gleich mehr.

Bei der Ankunft sah ich eine große Menge Menschen, die alle hauptsächlich schwarze Sachen trugen, aufgehellt von Ol Dirty Bastard Portraits oder dem ikonischen „W“ im Batman-Stil. Es war eine unerwartet gemischte Menge aus Männern und Frauen, den üblichen Verdächtigen – die Kopfnicker und Backpacker- , Punks, Hipster, die das W mit beiden Händen schon vor dem Konzert auf Facebook verewigen wollten und einer Person, dessen exzessives Nasenpiercing aus mehreren Ringen den Eindruck eines merkwürdigen Oberlippenbärtchens auslöste und alle diese Menschen tranken Bier, rauchten und warteten auf das Konzert von HipHop-Legenden, die noch nicht Mythos, aber schon Teil der Mythologie sind.

Dieses Geräusch der Schwerter und das amerikanische Gemurmel aus den fiktiven Shaolintempeln des Hongkongkinos der 70 Jahre eröffnete das Konzert. Es ist der unbestreitbare, im HipHop Gedächtnis festgenagelte Klangteppich der 36 Kammern der Shaolin. „All I Can Try Is My Wu Tang Style…. Bring The Motherfucking Ruckus“. Der Wu Tang Clan eröffnete das Konzert mit dem ersten Track ihres Debütalbums und gab danach „Da Mystery Of Shadowboxin“ zum Besten. Beide Tracks wurden von den Leuten um mich herum Wort für Wort mitgerappt und zelebriert. Man sah den Gesichtern an, dass das hier gerade ein großer Moment ist. Auf der Bühne standen Ghostface Killah, GZA, Inspektah Deck, U-God, Masta Killa, Cappadonna und Street Life. Nicht dabei waren Method Man, Raekwon und RZA, der Architekt des Clans. Für mich hat das dem Abend nicht geschadet. Schande über den Veranstalter, der die Fans darüber im Dunkeln ließ und gleichzeitige Bewunderung an die restlichen Wu Tang Leute für diese Show. Die Jungs haben auch nach zwei Dekaden im Geschäft ihren Hunger nicht verloren und wollen performen bis die Klamotten vor Schweiß triefen. Das fordern sie auch von ihrem Publikum. Ghostface Killah forderte das Publikum auf, die verdammte „low energy“ zu beenden und mit der gleichen Energie zu feiern, die dann von der Bühne zurück kommt. Mit Klassikern wie dem doppeldeutigen „Ice Cream“, dem basslastigen „Daytona 500“, einer acapella eingeleiteten Version des immer noch frischen „Wu Tang Clan Ain’t Nuthin Ta Fuck Wit“ und einer insgesamt runden Mischung aus Clan- und Solosongs stieg die Energie dann auch. Die Menge schrie die Refrains mit, antwortete auf „Do You Like HipHop“ mit „Hell Yeah“ und stand mit Begeisterung da als Cappadonna mit einem fünfminütigen Acapella brillierte und hielt ihre Hände hoch als der Beatlesrefrain von „Come Together“ eingespielt wurde.

Ein Wu Tang Clan Konzert lohnt sich. Wu Tang – HipHop ist eine Mischung aus Nostalgie und Aktualität, er bewältigt die Aufgabe, HipHop 42 Jahre nach seiner Geburt durchs Erwachsenendasein und in die Moderne zu führen. Der Abend bot weitere Tracks von GZA, U-God und einen Überraschungsauftritt und Freestyle von Jeru The Damaja. Ich hoffe, dass die Crew aus Staten Island noch viele Jahre auf der Bühne steht.