Sie ist eine der faszinierendsten Sängerinnen und Songwriterinnen im Blues der Gegenwart: Auch Sunday Wildes neues Album „He Digs Me“ lebt von ihrer unvergleichlichen Stimme und Liedern zwischen Blues, Jazz und herzzerreißender Einsamkeit. 

Album des Monats Februar 2014 bei der „Wasser-Prawda“

Wenn Sunday Wilde will, kann sie einem allein mit ihrer Stimme das Herz zerreißen: Ihr „Sunday‘s Midnight Blues“ etwa verströmt solche Sehnsucht, solche Qualen und solchen Schmerz, dass es kaum erträglich ist. Ganz reduziert sind Klavier und Schlagzeug, unterstützen nur die Sängerin. Allein die Linien einer gestopften Trompete bringen etwas hofflungsvolles Leuchten hinein. Schon dieses Lied und der unverhofft poppig-fröhliche Opener/Titelsong machen deutlich, dass Sunday Wilde noch längst nicht am Ende ihrer künstlerischen Entwicklung angekommen ist.

Klar, die musikalischen Zutaten sind noch immer die Gleichen wie auf dem Vorgänger „He Gave Me A Blue Nightgown“. Doch es ist kein Stillstand zu vermerken: Immer häufiger werden die rein akustischen Sounds durch elektrische Gitarren und Keyboards ergänzt. Und Stücke wie „Fall To Pieces“ bringen erstmals auch echtes Country-Feeling in den Kosmos der Songwriterin. Waren die Lieder in ihrer Direktheit manchmal fast schroff, so sind selbst harsche Nummern wie „I Can‘t Believe“ jetzt wesentlich zugänglicher. Ja, die reichhaltigeren Arrangements bringen Wilde‘s Lieder zum Strahlen, ohne ihre urwüchsige Energie auch nur abzumildern. Aber wahrscheinlich könnte nicht einmal eine Bigband die Urwüchsigkeit dieser Stimme zähmen, ihre Stärke und Verletzlichkeit, die sich jeglicher Beschreibung entzieht. Ein Lied wie der Gospel „Walk With Me“, mit dem „He Digs Me“ endet, funktioniert nur durch diese Stimme und lässt überhaupt keinen Platz für eine Begleitung, wenn man mal von einem leise geklopften Rhythmus absieht.

Ich halte mich mit Superlativen eigentlich gerne zurück. Aber mit diesem Album hat Sunday Wilde die Messlatte für ihre Kolleginnen und Kollegen im Jahr 2014 sehr hoch gelegt: „He Digs Me“ ist ein Bluesalbum, wie es sein sollte: Hier ist eine Musikerin zu hören, die sich ganz in ihren Liedern zu erkennen gibt und die es damit schafft, direkt zu unseren Herzen zu sprechen und das auf einem Niveau, was weit entfernt ist vom profanen Kneipenblues. Sunday Wilde ist eine der Bluesmusikerinnen, die diese alte Musik glaubhaft und faszinierend ins 21. Jahrhundert transportieren können.